Es scheppert, stöhnt oder schwebt in den neuen Alben von Queer-Ikonen und Rock-Ladys. Kein Wunder, denn sie nehmen sich nicht nur der Liebe, sondern auch so unmelodiöser Themen wie Krieg und Geld an. Von KENDRA ECKHORST
Die queeren Stil-Ikonen um JD Samson von MEN sind zurück und haben ihre erste Platte im Gepäck. Talk about Body heißt sie und wurde laut eigener Webseite nicht ganz komplikationslos geboren. Nach drei Jahren aufwendigen Hegens und Pflegens erschien sie im Februar bei IAMSOUND und knüpft sowohl an Sound und Themen ihrer Live-Auftritte als auch an der musikalischen Vorgängerin an: Le Tigre. Eine Vielzahl klappernder Schlagzeug-Becken wurde mit trockenen Basslinien abgestimmt und zu guter Letzt mit ein paar Gitarrenriffs verfeinert. Hin und wieder verirren sich auch Samba-Rhythmen in die Songs, die von Körper, Politik und Geld als Tauschware und Leistungsanreiz singen. „I’m gonna fuck my best“, heißt es etwa in dem Song „Credit Card Babies“, der bei schätzungsweise 120 Beats pro Minute dahinturnt beziehungsweise scheppert. Denn ihrem immer leicht klirrenden Sound sind sie treu geblieben, einem Sound, der am besten auf der Tanzfläche wirkt, am stärksten bei Live-Auftritten einnimmt, aber auch aufgrund seiner geraden und durchgängigen Beats als Aerobic-Musik gut die Arme und Beine in Schwung bringt.
Und noch ein weitere queere Ikone der Tanzflächen brachte Anfang März eine Disco-Scheibe heraus, die so heißt wie sie selbst: Beth Ditto. Diesmal ohne „Gossip“ und ihre Band, dafür aber mit musikalischer Unterstützung des Duos Simian Mobile Disco veröffentlichte sie eine EP mit vier Songs bei Deconstruction Records. Der Sound der 1980er Jahre lässt grüßen: in den funky Bassläufen, der glatten Pop-Stimme oder den Synthie-Beats. Eingefleischte Gossip-Fans mögen die Kraft und den angekratzten Sound vermissen.
Auch die „alte“ Lady des Rockgeschäfts PJ Harvey brachte ihre mittlerweile achte Soloplatte heraus. Let England Shake (Island Records) lautet der Titel, der zugleich Programm ist, denn es geht um die Rolle Englands als Kriegspartei in Afghanistan. Blut, Soldaten und Gräber spuken durch die Liedtexte, die von einem sehr getragenen Klang umspült werden. Gospelchöre und PJ Harveys Stimme im oberen Tonbereich geben dem ganzen etwas Pastorales, was nicht weiter verwundert, ist das Album doch in einer Kirche aufgenommen worden. Das Verstörende der Texte findet eher in der andächtigen Stimmung Widerklang denn in der harmonisch aufgespielten Musik.
Zieht der Wahnsinn in ein bonbonfarbenes Puppenhaus ein und würde Musik machen, dann müssten die Songs wie Yelle klingen. Eine französischsprachige Band, die im Ohr bleibt aufgrund des mädchenhaften, auch mal schrillen Gesangs von Julie Budet, der gewöhnungsbedürftig und Maskerade ist. Auf einer Mischung aus HipHop, Elektro und Chanson surrt ihre Stimme wie die einer aufgezogenen Puppe, die durch Labyrinthe der Liebe stolziert und fiese Rüffel verteilt. Mitte März erschien das neue Album Safari Disco Club (Recreation Center), das poppiger als sein Vorgänger ist, aber auch hier wieder die Bilder der idealen Liebe zurückweist. Hämisch, desillusioniert und auch ein wenig bösartig. Eine zuckersüße Randale im Dollhouse, in dem mit zwinkerndem Augenaufschlag mädchenhafte Stereotype hintertrieben werden.
Es wird gestöhnt, gejault und gejodelt – eine Menge Aahs, Oohs und noch mehr Uuhs stößt Stefanie Sourial auf ihrer Platte Amsterdam aus, die soeben bei Fettkakao erschienen ist. Sie begleitet ihren Gesang auf der Ukulele, nicht unähnlich einer akustischen Gitarre, da die Berg und Tal fahrende Stimme Auslauf braucht. Sie rutscht nicht in tonale Extreme, sie zieht die Töne aneinander, schraubt sich an ihnen hoch und setzt auf den leiernden Abgesang, um am Schluss noch mal die Stimme hochzureißen. Der Gesang ist nicht nur Text, sondern ein weiteres Instrument mit einer eigenen Linie. Eben wie eine Rockröhre in melodramatischer Stimmung, die am staubigen Straßenrand auf eine charmante Mitfahrgelegenheit wartet. Aber so pessimistisch sind ihre acht Lieder nicht, Stefanie Sourial besingt die Wechselbäder der Gefühle und eine Lobhymne auf die Masturbation – die verständlicherweise eine Vielzahl von Aahs und Uuhs braucht.
Links:
www.menmakemusic.com
www.myspace.com/bethditto
www.pjharvey.net
www.yelle.fr
www.fettkakao.com