Drei Frauen schauen auf ihren Free-Download Solo-Releases nach vorn. Von SOOKEE
Die Frauen rund um den UK-Female Takeover sind eine wahre Freude für alle, die nach weiblichen Stimmen im Rap suchen. Hier finden sich zahlreiche MCs, die den Eindruck erwecken, sie hätten den Patriarchats-Klassiker „divide and conquer“ so gut durchschaut, dass alle einander entspannt Platz lassen, um böse zu rocken, eigene Styles zu entwickeln, sich nicht gegenseitig auszubooten und sich stattdessen aufeinander beziehen zu können. Man könnte meinen, diese Sicht sei nur eine romantisch-feministische Projektion, aber die internen Bezüge belegen den erfreulichen Hang zum Female-Squad in UK, ohne dabei blockierend separatistisch zu sein.
Lady Leshurr beispielsweise pusht seit einiger Zeit eine Newcomerin namens Paigey Cakey, mit der sie diverse Feature-Videos veröffentlicht hat, in denen ihre freundschaftliche Verbundenheit mindestens genauso sichtbar wird wie die Freude an der gemeinsamen musikalischen Arbeit.
Paigey Cakey, erst erstaunliche 19 Jahre, ist auch als Schauspielerin, Tänzerin und Sängerin unterwegs und hat mit ihrem Mixtape ihr erstes Solo-Release gedroppt. Zu hören gibt es auf The First Paige eine Vorstellung ihrer selbst, auf der vor der inhaltlich-thematischen erst einmal die technisch-musikalische Seite aufgeschlagen wird – womöglich ein Effekt der Rap-typischen Vorliebe fürs Representen und sicherlich auch diverser Jahre in Freestyle-Cyphers.
In jedem Fall überzeugt sie mit einer feingliedrigen Stimme, die sich sehr präzise auf Beats bewegt, die zwischen Rap-poppigen Ohrwürmern („Hood Swag“, „Skyscraper“), reduzierten Ambient-Sounds („Purple Flowers“, „Bonnie & Clyde“) und elektronisiertem Grime-Gekratze („Rude Boy“) changieren.
RoxXxan ist stimmlich das ziemliche Gegenteil. Dort, wo bei Paigey Cakey konfrontative Zuckerwatte tönt, klingt es bei RoxXxan überwiegend nach lyrischen Fäusten, Weed und Straße. Auf Prepare 4 When I Land skandalisiert die Backpackerin die sexuelle Verantwortungslosigkeit von Männern („HO3“), befasst sich mit der Diskrepanz zwischen Introvertiertheit und Bühnenarbeit („Real Talk“), aber mit ihrem Organ ist sie mit Battle angehauchten Represent-Tracks natürlich auf der sichersten Seite („TFF“, „Guerilla“, „Power“). Leider fallen diese dann auch mal etwas phallozentristisch aus („Kween Richard“). Sich den Phallus anzueignen ist das eine, darüber aber die eigene Krönung zu beschließen, hinterlässt dann doch ein Knirschen.
Aus Deutschland gibt es gute Nachrichten in Form von Alice Dee. Die Nürnbergerin hat erfreulicherweise ihren Weg nach Berlin gefunden und dort ihr bisheriges Schaffen auf ihrem Debüt Wonderland manifestiert. Das Album erweist sich klassischerweise als selbst-therapeutische Reflexion. Alice Dee macht weit auf und lädt zum Mit- und Nachfühlen ein. Es geht viel um innere Zerrissenheit, überhaupt Ambivalenzen („Kaputt“, „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“) und zugleich um den Wunsch, konstruktive Wege zu beschreiten („Sisyphos“) oder sich zumindest im Eskapismus durch die Zeit zu retten („Wonderland“, „LSD“, „Freaks“). Gesellschaftskritisches gibt es ebenso zu hören („Zieh dich aus“, „Komisches Tier“), auch wenn hier die Analyse noch etwas tiefer gehen, strukturelle Bedingtheit einbezogen und etwas weniger mit dem Moralpinsel gemalt werden könnte. Besonders nach vorne gehen die wütenden Tracks, in denen Alice Dee ansagt, dass sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt („Fck u“, „Alles Lüge“) und zu ihrer Wahrnehmung steht.
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