Seit 2012 ist die Professur für Politische Theorie an der Uni Wien unbesetzt und die Fortführung des feministischen Schwerpunkts der Stelle fraglich. MARLENE RADL befragte GUNDULA LUDWIG und BRIGITTE BARGETZ, Postdocs am Institut für Politikwissenschaft, zum laufenden Besetzungsverfahren.
Wurden die Grundsätze der Universität Wien hinsichtlich Gleichstellung und der Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung im bisherigen Besetzungsverfahren vernachlässigt?
Bedauerlich ist aus feministischer Perspektive, dass die Professur überhaupt nur als „Politische Theorie“ ausgeschrieben wurde und der vorige Schwerpunkt, feministische politische Theorie, vertreten durch Eva Kreisky, nicht durch einen entsprechenden Fokus in der Ausschreibung gestärkt wurde. Positiv ist, dass zu den Hearings von insgesamt acht Kandidat_innen drei international ausgewiesene feministische politische Theoretikerinnen eingeladen wurden. Wichtig ist nun, dass die Universität ihre eigenen, gesetzlich verankerten Richtlinien – u. a. Kompetenzen in der Geschlechterforschung im Auswahlverfahren positiv anzuerkennen – auch berücksichtigt.
Inwiefern hat die Besetzung dieser Professur aus feministischer Perspektive besondere Relevanz?
Solange Geschlecht gesellschaftskonstituierend ist und Staat, Recht, Demokratie und Wissen nicht neutral, sondern androzentrisch, weiß, heternormativ, klassistisch, ability-zentriert sind, muss auch politische Theorie feministisch-kritisch sein. Die politische Theorie der Uni Wien ist richtungsweisend, da von ihr in den letzten Jahrzehnten wichtige Impulse ausgegangen sind, etwa in der feministischen Staats- und Demokratietheorie. Eine feministische Perspektive ist notwendig, um zu zeigen, dass sich mit der Neoliberalisierung von Staat und Gesellschaft für viele geschlechtsspezifische Ungleichheitsverhältnisse verschärfen.
Weist die fehlende Besetzung auf einen allgemeinen Bedeutungsverlust kritischer und feministischer Gesellschaftstheorie an der Uni Wien hin?
Es gibt hier viele kritische und feministische Forscher_innen. Die fortschreitende Ökonomisierung der Universitäten, das Messen wissenschaftlicher „Leistungen“ an vorgeblich objektiven, letztlich aber androzentrischen Kriterien sowie die zunehmende Prekarisierung von Lehrenden und Studierenden haben in den letzten Jahren jedoch dazu geführt, dass diese erkämpften Räume zum Teil wieder verloren gehen. Die aktuelle Situation ist daher durchaus ein Ausdruck dessen, dass es zunehmend schwerer (gemacht) wird, von den kritischen und auch feministischen Rändern her zu denken.
Petition: http://feministische-wissenschaften.eu