Die Tänzerin und Performerin Iris Omari Ansong verarbeitet in ihren Performances Hoffnung, Emanzipation und Pleasure. Von HANNAH SCHMIDT.
Unser Körper ist ein Medium. Durch ihn nehmen wir wahr und werden wahrgenommen. Alle Situationen, denen wir durch, in und mit unserem Körper ausgesetzt sind, schreiben sich in ihn ein, sagt Iris Omari Ansong: „Dadurch spiegeln sich in jeder kleinen oder noch so unauffällig scheinenden Situation auch politische Systeme und unsere Gesellschaft wider.“ Wenn jemand als weiblich gelesene Person auf die Straße geht und Menschen diese Person z. B. nicht durchlassen, ihr nicht ausweichen, „dann mag das wirken wie eine Feinheit, aber das ist es nicht. Man spürt immer eine gewisse Rolle, die einem zugeschrieben wird, eine Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit.“ Und selbst, wenn man zu Hause chillt oder sich in einem sicheren Raum bewegt, wird diese kollektive Erfahrung spürbar.
In ihrer Arbeit als Tänzerin und Performerin legt Iris Omari Ansong den Finger in genau diese Wunde: „Meine aktive Arbeit besteht darin, diese Unterdrückungen und Repressionen wegzunehmen und aufzubrechen“, sagt sie. „Es geht darum, sich Dinge zu erlauben und zurückzuholen“, und zwar ganz konkret, physisch, körperlich. Im Laufe ihres Studiums der zeitgenössischen Tanzpädagogik in Wien, während eines Auslandssemesters in Istanbul, begann sie sich an tänzerische Traditionen und Bewegungen heranzutasten, die sie bis dahin unbewusst von sich ferngehalten hatte: „Ich habe in Lucille Aires’ Tanzklassen begonnen, Female Dancehall und Afro House zu tanzen, und die Begegnung mit ihr war ein unlocking moment“, erzählt sie und lacht. Sie hat sich dort, wie sie erzählt, eine ganze tänzerische Ausdruckswelt zurückerobert.
In ihrem letzten Projekt „BUNX – dripping in the jelly of the black atlantic“ zelebrierte sie diese Erfahrung zusammen mit Andrea Vezga Acevedo, mirabella paidamwoyo* dziruni und Yours Izundu auf der Bühne: In einer kraftvollen Performance, einem regelrecht „verkörperten Manifest“, forderten die Tänzer*innen ihre physische Freiheit, ihre Sinnlichkeit und Sexualität zurück. Im Mittelpunkt stand das Twerking als Tanzform, mit der alle vier regelmäßig arbeiten – eine Praxis mit langer Geschichte: „Die Bezeichnung ‚Twerk‘ ist noch recht jung“, sagt Iris Omari Ansong. „Man findet diese Art von Hüftbewegungen viel in afrikanischen und afrodiasporischen Kontexten seit Generationen. Twerk ist eine Tanzform mit einer langen Geschichte und Verbindung zu afrodiasporischen Traditionen. Gleichzeitig ist es eine Schwarze Tanzform der Gegenwart.“ Wenn sie Twerk unterrichtet, erzählt sie weiter, „gehen die Leute jedes Mal mit einem Strahlen aus der Tanzstunde. Diese Erfahrung macht was mit einem – sowohl der Tanz an sich als auch die Entscheidung, eine sensual oder sexual Seite von sich zuzulassen, in einem Raum, in dem man sich sicher fühlt. Das ist sehr empowernd und emanzipierend.“ In BUNX verbanden die Performer*innen ihre geteilten Erfahrungen, Verletzungen und Kämpfe auf Grundlage der Idee des Black Atlantic: „Ein Konzept, eine Methode, ein Tool, das davon ausgeht, dass es eine Kultur gibt, die afrikanisch, amerikanisch, karibisch und europäisch zugleich ist“, sagt Iris Omari Ansong, „verbunden durch die Route des transatlantischen Sklavenhandels – eine Kultur, die all das umfasst und gleichzeitig ist.“ Das daraus entstandene Black Atlantic Thinking reflektiert verschiedene diasporische Perspektiven und ist wirkungsvoll: „Es verschafft mir einen Zugang zu schweren Themen, kollektiven Traumata, Schmerz, aber auch Hoffnung“, sagt Iris Omari Ansong.
Als Schwarze Person, die im mehrheitlich weißen Österreich Kunst macht, sei ihr besonders wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass die migrantische Kulturszene wächst – und dass sowohl Ausführende als auch das Publikum von der Vorstellung wegkommen müssen, dass es sich bei PoC- und Schwarzen Künstler*innen um eine „Minderheit“ handle: „Dieses Minderheitendenken hat so etwas Kleinmachendes“, sagt sie, „dabei haben wir es mit der globalen Mehrheit zu tun.“
Aus BUNX ist dementsprechend ein Verein hervorgegangen, gegründet von Iris Omari Ansong und Andrea Vezga Acevedo, „weil wir unbedingt in diesem Team weiter zusammenarbeiten wollen“: Milk and Thorns ist der sprechende Name – Milch und Dornen. Nährendes und Schützendes. Der Titel beschreibt eine reale Utopie: einen Ort, an dem Menschen ihre volle individuelle, kollektive und körperliche Kraft entdecken und entfalten können.