arbeitsfragen in allen lebenslagen
Krankheit, die schlimmste Feindin der Prekären. Jetzt hat sie auch mich wieder einmal erwischt. Ich tippe diese Zeilen schnupfig, im Pyjama und in die Decke eingewickelt, mit Kräuterteekanne auf dem Schreibtisch. Gestern habe ich noch mit Aspirin aufgeputscht einen Radio-Schwerpunkt über Drogen (wie passend) finalisiert und auf Schiene gebracht. Das musste noch sein, und auch diese Kolumne will rechtzeitig an Redaktion und Grafikerin geschickt werden.
Zu Hause bzw. im Bett bleiben und nicht arbeiten, ist immer die allerallerletzte Option. Ich hatte zuvor schon vier Tage lang versucht, Schnupfen und Halsweh mit Kräutertees, Tropfen u.Ä. loszuwerden. Die Erkältung bleibt aber leider hartnäckig. Trotzdem wäge ich immer noch ab: „Wenn ich morgen zu Hause bleibe, kann ich übermorgen dann vielleicht drei Artikel fertig kriegen“ (nicht sehr wahrscheinlich); „Vielleicht halte ich noch ein, zwei Tage durch, mach die Sachen alle fertig und bleib dann gegen Ende der Woche daheim“ (genauso unwahrscheinlich); oder „Vielleicht ist morgen der Schupfen eh schon vorbei“. So verlaufen die Verhandlungen mit mir selbst, bis irgendwann die Erkenntnis reift: Es geht nicht. Ich muss kürzer treten. Es muss sich halt irgendwie ausgehen mit der Kohle.
Ob und was ich für diese zwei Tage bezahlt bekomme, weiß ich nicht so genau. Vielleicht ein Abschlagshonorar für geplante Beiträge oder Artikel, vielleicht einen Durchschnittswert der letzten Monate, vielleicht nichts. Das ist ein Ermessensspielraum von ich weiß nicht welchen Faktoren. Der wichtigste dabei ist: Krankengeld oder Abschlagshonorar bekommt nur, wer sich aufregt. Da bin ich, ich weiß, tausenden anderen Freien, die einfach gar nichts bekommen und für die jede Krankheit, die mehr als eine Woche dauert, zur Existenzkrise wird, schon einen Schritt voraus. Aber eigentlich sollte die Möglichkeit einer Existenzsicherung über Krankheitstage hinweg selbstverständlich sein – nicht Aushandlungssache oder gar Privileg.
Irmi Wutscher kann es sich selten leisten, krank zu sein.