arbeitsfragen in allen lebenslagen
G. muss mit seiner Firma zwei Tage auf Teambuilding-Seminar. Er ist nicht begeistert. Die dort gerne praktizierten Wir-reden-uns-alles-von-der-Seele-und-können-uns-dann-mit-allen-Schwächen-und-Stärken-annehmen-Sitzungen werden in Wahrheit ja gerne dazu verwendet, die Schwächen anderer auszuspionieren und sie später unbarmherzig gegen sie zu verwenden. Mein Lieblingssatz zu diesem Thema von einem Kollegen nach einer Mediation ist: „Was früher ein schwelender Konflikt war, ist jetzt erbitterter Krieg.“ Teambuilding-Seminare sollte man also nicht auf die leichte Schulter nehmen.
G. soll für den ersten Tag eine Power-Point-Präsentation über sich selbst vorbereiten, genauer: über seine Aufgaben und seine Schwachpunkte. Ganz klar: In so einem Fall können nur Schwächen aufgeschrieben werden, die eigentlich Stärken sind. Ich schlage ihm vor: „Ich bin zu engagiert und opfere mich immer zu sehr für die Firma und die KundInnen auf.“ Mir würde das gut gefallen, gemeinsam mit einer Clipart oder einem lustigen Comic, in dem ein Männchen fröhlich Aktenberge schupft o.Ä. Das Ganze in einer effektbeladenen Präsentation, in der alles mit einem „Wuuusch“-Geräusch auf den Folien erscheint. G. will aber nicht so dick auftragen. Schade. Aber dann schreibt er als Schwäche „KundInnenzufriedenheit vs. Effizienz“ auf. Soll signalisieren: Ich würde gerne ALLES für die KundInnen tun, gleichzeitig für die Firma möglichst viel in kurzer Zeit leisten und dieses Dilemma ist mein großer Schwachpunkt. Gar nicht schlecht. Zurück vom Teambuilding erzählt G., dass sich seine KollegInnen gar nicht so geziert hätten, was Schwächen betrifft. Angeführt wurde etwa „Ich kann mir gar nix merken“ genauso wie: „Ich stinke“. Wobei bei letzterem Geständnis ein Bravourstück der Schwäche-zu-Stärke-Umdeutung demonstriert wurde: „Ein Kunde hat mir gesagt, ich stinke“, berichtete der Seminarteilnehmer, der im Verkauf tätig ist. „Das beweist, dass ich schon so eine Nähe zu den KundInnen aufgebaut habe, dass sie mir so etwas Intimes sagen können!“
Irmi Wutscher hat für diese Kolumne mit G. ein Team gebildet, indem sie schamlos Geschichten aus seinem Arbeitsleben geklaut hat.