„Unser Haus steht in Flammen“, hat Greta Thunberg in ihrer Rede vor knapp einem Jahr schon gesagt. Es brennt, auf mehreren Kontinenten und im Herzen Europas. Nicht nur wegen des Klimawandels und Moria. Die Idee einer solidarischen europäischen Gemeinschaft steht in Flammen. Mit dem Brand, der das Flüchtlingslager Moria zerstört hat, wird deutlich, was seit Jahren von der Europäischen Union verdrängt wird und den Abbau von Demokratie, Solidarität und Empathie vorantreibt sowie die Aushöhlung einer Verfassung, die sich eigentlich zu den europäischen Grundwerten bekennt.
Das alles, nur um einen „Pull Effekt“ zu verhindern, den es laut Migrationsexpert*innen nicht gibt. Der nur eine rhetorische Strategie ist, um Wahlen zu gewinnen.Ist es wirklich verlockend, das eigene Leben auf dem Meer zu riskieren, nur um dann in ein überfülltes Lager gepfercht zu werden, und schutzlos auf der Straße zu sitzen, nachdem es abgebrannt ist?Als Hilfsmaßnahme werden bestenfalls ein paar lächerliche Summen überwiesen, die man dann zynisch „Hilfe vor Ort“ nennt. Es wird ein neues Lager gebaut, das so menschenunwürdig ist wie das letzte.
Das ist nicht das Europa, das uns in der Schule als große solidarische Idee verkauft wurde. Denn was die europäische Politik dieser Tage tut, ist alles daran zu setzen, Menschen zu enthumanisieren. Etwa wenn der Außenminister davon spricht, dass man „die Debatte entemotionalisieren müsse“ und sich gegen die Aufnahme von einigen wenigen Menschen mit den Worten: „Es geht immer nur um ein paar Kinder“, wehrt. „Wehret den Anfängen“, heißt es immer, aber diese Anfänge haben wir wohl verpasst, wenn es möglich ist, dass Politiker*innen Wahlkampf damit treiben, die Opfer eines Großbrandes zu kriminalisieren, anstatt ihnen zu helfen.
Stattdessen schürt man in Europa den Hass und der greift weiter um sich. Das zeigt sich in Minsk, wo bei Massenprotesten die Polizei gewaltsam gegen Frauen vorgeht. Es zeigt sich in Berlin, wenn sogenannte „Querdenker“ versuchen, den Bundestag mit Reichskriegsflaggen zu stürmen. Oder in Wien, wo Ultrarechte öffentlich Regenbogenflaggen zerreißen und LGBTIQ als „Pädophile und Mörder“ verunglimpfen und auf einer Solidaritätskundgebung dafür noch Polizeischutz erhalten. Es zeigt sich in Polen, wo offen gegen LGBTIQ gehetzt wird. Es zeigt sich an der Gleichgültigkeit vieler und im Hass einiger weniger, die kontinuierlich daran arbeiten, dass es weiter brennt.
Wenn es brennt, stellt sich unweigerlich die Frage nach den Täter*innen. Aber „man kann Menschen nicht jahrelang im Dreck leben lassen, ihnen Rechte vorenthalten, sie schließlich ungeschützt einer Pandemie aussetzen und dann überrascht sein, wenn sie gegen ihre Lebensbedingungen aufbegehren“, betont Ramona Lenz, Referentin für Flucht und Migration von der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation „medico international“.
Ja, wenn diese Leute aus Verzweiflung das Letzte, was ihnen geblieben ist, anzünden, damit irgendwas geschieht, einfach weil der Ist-Zustand so unerträglich ist, dann sind nicht sie zu bestrafen, sondern jene, die für diese Lage verantwortlich sind. Ja, die Brandstifter sitzen in Europa, aber nicht in den Straßen von Lesbos, sondern bequem in den Chefsesseln der Europäischen Union und der österreichischen Regierung.