Der Wahlsieg kam nicht überraschend. Monatelang führte die FPÖ die Umfragen an, bis Herbert Kickl schließlich gelang, was seinem großen Vorbild Jörg Haider verwehrt geblieben war: Platz eins in Österreich für die rechtsextreme Partei, wenige Tage nachdem mehrere freiheitliche Kandidaten bei einem Begräbnis zusammenkamen, auf dem das SS-„Treuelied“ gesungen wurde. Im Jahr 2000 noch hatten die restlichen 14 EU-Staaten mit Sanktionen darauf reagiert, dass ÖVP-Kanzler Schüssel die Rechtsaußen-Partei in die Regierung holte, 2024 schickten Viktor Orbán, Alice Weidel, Marine Le Pen, Andrej Babiš, Geert Wilders und Matteo Salvini Glückwünsche an Herbert Kickl, der „Volkskanzler“ werden will. Eine rechte Normalität, die nur jene mit einem Schulterzucken kommentieren können, die nichts zu befürchten haben, wenn Rechtsextreme regieren und hetzen. Feministinnen und Antifaschist:innen, alle jene, die gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und Homo- und Transfeindlichkeit kämpfen, haben wie so oft nur eine Wahl: nicht in Resignation zu verfallen und den Kampf aufzunehmen für eine solidarische, eine demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft, für die Utopie einer besseren Zukunft oder dem, was davon noch übrig ist.
Es könnte sich diesmal ausgehen, eine Regierung ohne die FPÖ, sofern die Volkspartei nicht wie schon unter Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz einen Schritt auf die Freiheitlichen zugeht. Die Großindustrie und die Wirtschaft hätten „keinerlei Neigung, eine Partei in der Koalition zu begrüßen, die für Vermögens- oder Erbschaftssteuern eintritt“, so sagte es der ehemalige, von Sebastian Kurz ins Aus gedrängte ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nach der Nationalratswahl dem „Standard“. Die Forderung nach einer Erbschafts- und Vermögenssteuer, die Ingrid Robeyns im an.schläge-Interview nicht nur als grundvernünftig, sondern unerlässlich beschreibt, scheint für manche Konservative die weitaus größere Bedrohung zu sein als Rechtsextreme, die wenig übrig haben für Pressefreiheit und die Menschenrechtskonvention. Andreas Babler ist das größere Schreckgespenst als ein Herbert Kickl. Seit Jahrzehnten schon bewirtschaften Neokonservative einen Konkurrenzkampf unter Menschen, die nicht zu den Vermögenden zählen und trotz kräftezehrender Arbeit in Schulen, Krankenhäusern und Lieferdiensten oder in der eigenen Familie auch nicht den Leistungsträger:innen zugerechnet werden. Bezeichnend, dass halb Österreich sich im Sommer über eine neunköpfige syrische Familie empörte, die 4.600 Euro Mindestsicherung in Wien bezieht. Ein Dach über dem Kopf zu haben, seine Kinder mit dem Notwendigsten zu versorgen und teilhaben zu können an einer Gesellschaft scheint Menschen nicht mehr vergönnt zu sein, wenn das ein Stückchen solidarische Umverteilung bedeutet. Die Wut ist verbraucht, wenn das Moment Institut berichtet, dass die reichsten fünf Prozent der Haushalte in Österreich mehr als die Hälfte des privaten Nettovermögens besitzen. Oder Ingrid Robeyns in ihrem Buch über die Begrenzung von Reichtum ausrechnet, dass eine Person, die 45 Jahre lang fünfzig Stunden pro Woche arbeitet, einen Stundenlohn von fast zwei Millionen Dollar erhalten müsste, um so viel Vermögen wie Elon Musk anzuhäufen. Tatsächlich ist die Verteilungsfrage gemeinsam mit der Klimakrise die größte politische Herausforderung unserer Zeit, in der die Besitzenden und jene, die nichts haben, immer weiter auseinanderdriften und Frauen als unbezahlte Care-Arbeiterinnen das ganz besonders trifft. Feministische, solidarische, antirassistische, klimapolitische Kämpfe: Es braucht sie dringender denn je.