SILKE GRAF und VINA YUN hörten sich durch aktuelle Releases von local Indie-Heroines und global Pop-Stars.
Schon früh musste sich Kylie Minogue in ihrer Karriere mit dem Image als kleine Ausgabe von Madonna arrangieren. Immerhin kann der Popstar aus Down Under heute auf eine über 20-jährige Laufbahn zurückblicken, in der sie sich vor allem einer gay Camp-Ästhetik verpflichtete. Ihr elftes Studioalbum Aphrodite (Parlophone/EMI) bietet rundum Kylie-Feeling: blubbender, Saccharin gesüßter, faltenfreier Dance-Pop mit Disco-Anleihen, makellos produziert von Stuart Price (Zoot Woman). Der Grundton ist optimistisch, es geht – angesichts des unbescheidenen Albumtitels wenig überraschend – um das Schöne, das Gute, das Freudvolle. Auf einer solch glatten Oberfläche sucht man vergeblich Halt.
Ihren Wunsch, einmal mit Kylie Minogue zusammenzuarbeiten, konnte Schwedens Pop-Export Robin Miriam Carlsson alias Robyn noch nicht verwirklichen. Macht nichts, denn ihre als Trilogie anlegte Mini-Album-Serie, deren zweiter Teil Body Talk Pt. 2 (Konichiwa/Ministry of Sound/Edel) vorliegt, glänzt auch ohne das Zutun internationaler Megastars. Bei Robyn fließen Pop-/Dance-Einflüsse der letzten zwei Jahrzehnte zusammen – ganz ironiefrei. Dabei schlägt die Sängerin tolle melodiöse Bögen und legt erstaunlich sehnsuchtsvolle und gleichzeitig kraftvolle Momente frei. Wir warten mit Freude auf den dritten Teil dieses sprechenden Albumprojekts!
Romantisch mutet auch der verträumte Electronic-Pop von Natalie oder Tusia Beridze (auch TBA genannt) aus Georgien an, die mit What About Things Like Bullets (Monika/Hoanzl) einen 5-Track-Teaser auf das in Kürze erscheinende Album „ForgetFulness” vorgelegt hat. Ihren Deal beim Berliner Label Monika Enterprises hat sie einem früheren Release zu verdanken, der auf der ersten der insgesamt vier „Four Women No Cry”-Compilations erschienen ist.
Monika-Labelchefin Gudrun Gut hat sich indes mit Antye Greie aka AGF zusammengeschlossen und unter dem Namen Greie Gut Fraktion das gemeinsame Album Baustelle (Monika/Hoanzl) aufgenommen. Auch wenn es ordentlich rauscht und hämmert, klopft und zischt – nach „under construction” klingt dieses Projekt nicht. Die Geräusche haben die beiden Elektronik-Musikerinnen in stundenlangen Field Recordings auf Baustellen gesammelt und als Ausgangsmaterial eingesetzt: Das Ergebnis ist packend und direkt, wie aus einem Guss, möchte man da beinahe sagen. „Gibst du mir Wasser, rühr ich den Kalk”, singen Greie Gut in ihrer Coverversion des 80er-Klassikers „Wir bauen eine neue Stadt” von Palais Schaumburg. Tiefschürfender Baustellen-Groove, der Arbeiterinnen-Sound der Stunde!
Der Wiener Labelschatz Fettkakao hat eine neue Platte veröffentlicht. Da liegen die Leute in karierten Hemden im Dreck herum und huldigen Toni Soprano und kleinen frechen Hunden: People Lying Around In Dirt Every Day von Plaided (Veronika Eberhart und Julia Mitterbauer bildeten einst zwei Drittel der Band Ilsebill) rockt wie sonst nur Veröffentlichungen von Kill Rock Stars. Die vier Nummern machen extrem Lust auf mehr. Vor allem „It is over Toni” ist ein wunderbares Stück Musik, das mit einfachsten Mitteln schlicht und ergreifend fetzt. Zeilen wie „And we love, love, love to the other side” bringen eine gut durch den Tag. Die 7”-Inch gibt’s mit feschem Artwork inklusive CD bzw. Download-Code, und auch live sollte man sich die Zwei nicht entgehen lassen.
Sara Abdel-Hamid – besser bekannt unter dem Namen Ikonika – produziert ihre Tracks zwar immer noch in ihrem Jugendzimmer zuhause bei den Eltern in West London, dafür klingen ihre Sounds aber schon ziemlich erwachsen. „One small dubstep for man, one giant leap for experimental UK club music”, meinte das britische Musikmagazin „NME” zu ihrem ersten Album Contact, Love, Want, Have erschienen beim gediegenen Hyperdub-Label (wo u.a. Burial und die noch wenig bekannte, aber großartige Cooly G veröffentlicht haben). Ikonikas Sounduniversum besticht durch stilistische Vielfalt, von alten Sega-Spielen inspirierte Bleeps treffen auf West Coast-HipHop und Soca-Rhythmen. Die frühere Drummerin in einer Post-Hardcore-Band weiß die Bässe zu platzieren, komplexe Melodien aufzubauen und neue Formen, Flächen und Farben im Kopfkino entstehen zu lassen, ohne dabei in den 14 Tracks den roten Faden zu verlieren. „Continue?” Yes!