Ein Kommentar von VANESSA SPANBAUER
Identitären-Sprecher Martin Sellner als Posterboy, sehr fragwürdige Gäste beim „Talk im Hangar-7“ auf Servus TV und die Wiedergabe von Werbevideos rechtsextrem eingestufter Bewegungen in großen Medien – Hass und Hetze als Meinung sind längst unter uns. In der Medienberichterstattung der letzten Monate finden sich zahllose Berichte und Interviews, in denen Rechtsextremen Raum geboten wird. Viele Forscher*innen, die sich mit dem Thema beschäftigen, haben anaylsiert, weshalb mit Rechtsextremen nicht gleichwertig diskutiert werden kann: Da werden Nicht-Expert*innen rechter Gesinnung Expert*innen gegenübergesetzt, die sich zwar fachlich rundum auskennen, jedoch wenig Chancen gegen jene rhetorisch geschulten Demagog*innen haben, denen es nicht um Fakten, sondern um Angstmache geht. Recherchierte und fundierte Analysen, die den Anspruch haben, sich Themen differenziert zu widmen, treffen auf Beispiele und Szenarien, die in keiner Form belegbar sein müssen, denn oft reicht eine bloße Behauptung, um eine Hasswelle loszutreten. Ein weiteres Argument dafür, dass solch ein Aufeinandertreffen in Fernsehsendungen und anderen Formaten problematisch ist, begründet sich durch die rechte Absicht, den Diskurs zerstören zu wollen, Dialog zu verweigern und immer nur ihre eigenen Themen zu bedienen. In vielen dieser Diskussionen wird rechten Meinungen eine Bühne geboten, ohne dass eine starke Moderation die getätigten Aussagen kontextualisieren und richtigstellen würde. Inhaltliche Analysen erfolgen daher in der Regel erst später, nachdem sich die meisten Zuseher*innen ihre Meinung schon längst gebildet haben und von den nachträglichen Erklärungen nichts mehr mitbekommen.
„Mit Rechten reden“ wird gemeinhin als Notwendigkeit dargestellt, weil es zu wenig geschehe. Dahinter steht die Angst vor Filterblasen und davor, nicht genügend andere Meinungen zu hören, die ein Aufeinander-Zugehen ermöglichen würden. Besonders für eher links stehende Medien scheint das wie ein Aufruf zu wirken. Aber wer redet mit denen, die berechtigte Angst vor den Rechten haben? Während der Sprecher der Identitären ein Magazincover ziert (siehe „Profil“ von Ende März 2019), können Personen mit Migrationshintergrund in den meisten österreichischen Medien keine Stimme für sich beanspruchen, denn der Journalismus ist hier weitgehend weiß und von Menschen ohne Migrationsgeschichte geprägt. Um dem Vorwurf vorzubeugen, „zu links“ zu sein, liebäugeln einige österreichische Medienmacher*innen zudem mit den Rechten – mit dem Argument, „das gesamte Spektrum“ abbilden und „jede Seite“ zu Wort kommen lassen zu wollen. Ungeachtet dessen, dass manche Wortmeldungen einfach nichts in unserer Gesellschaft zu suchen haben.
Doch die Wahrung von „Objektivität“ und „Unabhängigkeit“ scheint heutzutage gleichbedeutend damit, dass Rassismus, Sexismus, Homophobie und weitere Diskriminierungsformen als legitime Meinung zugelassen werden. Journalist*innen, die sich davon klar abgrenzen, sind in den Augen vieler voreingenommen und politisch gefärbt. Meinungsfreiheit ist zentral, doch sollte diese dort enden, wo Menschen Abwertung erfahren oder historische Fakten wie der Holocaust geleugnet werden. Personen, die eine solche Meinungen vertreten und versuchen, diese öffentlich zu bewerben, darf einfach keine Bühne gegeben werden.
Dabei hilft es wenig, Diskriminierung bloß einer bestimmten Partei oder Bewegung zuzuordnen. Diskriminierendes Gedankengut ist tief in der österreichischen Kultur und Tradition verankert und tritt deshalb beinahe in allen Reihen der Gesellschaft auf. Die Aufgabe einer verantwortungsvollen Berichterstattung müsste es sein, dieses kritisch zu hinterfragen und eine Linie zu ziehen, die es niemandem möglich macht, gewisse Grenzen zu überschreiten.
Das bedeutet auch, dass Rassismus und Hetze als solche benannt werden müssen und nicht als „Meinung“ gelten dürfen, die „besorgte Bürger*innen“ nun mal haben.