Ich stehe ja nicht so auf Gruselfilme, das Leben ist schaurig genug. Durch ein rechts-konservativ bis rechtsextrem dominiertes EU-Parlament zu laufen, löst in mir ein mehr als mulmiges Gefühl aus: „Arbeitet die Person, die sich vor mir in der Kantine anstellt, für rechtsextreme Abgeordnete?“
Täglich sehen wir die Veränderungen: keine Plenarwoche mehr ohne Migrationsdebatte, und plötzlich ist es salonfähig, dass die angeblich pro-europäische Fraktion Europäische Volkspartei (ÖVP inklusive) für Änderungsanträge von Rechtsextremen stimmt. Die AfD jubelt offen darüber. Der rechtsextreme Diskurs ist auch im EP voll und ganz angekommen. Auch im Rat und in der Kommission liegt einiges im Argen. Im Oktober haben die europäischen Staats- und Regierungschef*innen beim Gipfel wieder einmal das Wording zu Migration verschärft und fordern Abschiebeabkommen und Aufnahmelager in Drittstaaten. Davor schlägt Ursula von der Leyen schnell mal ein neues Abschiebegesetz vor, obwohl der rechtlich bedenkliche Migrationspakt, der mit Ach und Krach im Frühjahr gerade erst beschlossen wurde, noch nicht mal umgesetzt wurde.
Im November werden die neuen EU-Kommissar*innen angehört und gewählt. Unter ihnen: der Italiener Raffaele Fitto, Georgia Melonis Kandidat für die EU-Kommission, der große Chancen hat, einer der sechs Vize-Präsident*innen der Kommission zu werden. Vizepräsident bedeutet größeres Portfolio und in dem Fall Einfluss auf Regional- und Agrarförderungsgelder. Einst EU-Abgeordneter der Konservativen, gehört Fitto nun Melonis Fratelli d’Italia an. Ein Skandal, sollte mensch meinen.
Interessieren tut es fast niemanden. Auch in Österreich hat man sich wieder der üblichen innenpolitischen Nabelschau zugewandt und schaut bis zur nächsten EU-Wahl nicht über den österreichischen Tellerrand. EU was?
Inge Chen hat period.Brussels mitbegründet und arbeitet als Pressesprecherin für den grünen EU Abgeordneten Thomas Waitz.