Auch in queer_feministischen Szenen wird Weiblichkeit abgewertet. Von JULIA MARTIN
In einer Kultur, die auf der Unterdrückung und Marginalisierung von Frauen* und Weiblichkeit beruht, ist es kein Wunder, dass auch emanzipatorische Räume von ähnlich normierenden Mustern und Abwertungen durchdrungen sind. Queere Szenen versuchen, einen Raum für marginalisierte Personengruppen fernab von Heteronormativität zu schaffen, doch auch diese sind nicht immer frei von Diskriminierung und Hierarchien.
Unsichtbarkeit. Auffällig in queeren Szenen (besonders innerhalb Europas) ist eine herrschende Maskulinitätsnorm, die fast immer mit der Abwertung von Femininität einhergeht. Misogynie und Femininitätsfeindlichkeit sind sich nicht unähnlich. LGBTIQ-Szenen tendieren dazu, Maskulinität hervorzuheben und zu zelebrieren, während Femmes und andere Darstellungen von Femininität eher kritisch bis ablehnend betrachtet werden. Solche Abwertungen können z. B. die Unsichtbarmachung femininer Personen sein, aber auch die Diskriminierung trans*femininer Personen durch Trans*Misogynie.
Dabei spielten gerade in den 1940er- und 50er-Jahren feminine Personen eine wichtige Rolle in der Kultur von Butch/Femme. Dies änderte sich jedoch radikal im Zuge der Lesbenbewegung der 1960er- und 70er-Jahre, als die (vorwiegend weißen und akademischen) Aktivist*innen diese Identitätskonzepte als unterdrückend und als einen die Heterosexualität kopierenden Akt verstanden.
Sexistische Stereotype. Bis heute ist es so geblieben, dass queere Femininität oftmals verkannt, falsch gelesen und unsichtbar gemacht wird. Femininität wird nie als Ausdruck von Emanzipation betrachtet, sondern ist mit Stereotypen besetzt, die sich stark an heteronormativen und sexistischen Bildern von Unterordnung, Passivität, Künstlichkeit und Hilflosigkeit orientieren. Zusätzlich werden Femmes und feminine Personen objektifiziert und sexualisiert. Ebenso falsch wie die Annahme, dass Femininität immer mit einem weiblichen Geschlecht verknüpft ist, ist die Idee, dass eine feminine Performance immer mit einer Identität als Femme zusammenfällt.
Alle Szenen tendieren zu Uniformität, so auch queer_feministische Szenen. Um als dazugehörig erkannt zu werden, werden oft bestimmte Codes verwendet. Doch dass Codes alternativer Szenen auch normativ sein können, ist dabei vielen nicht bewusst. Ebenso wie die Tatsache, dass viele Dinge, die als androgyn und geschlechtslos angenommen werden, dies tatsächlich gar nicht sind. Denn kurze Haare und maskuline Kleidung sind nicht genderneutral. Hierin zeigt sich eine (unbewusste, angelernte) Orientierung an heteronormativen Denkmustern, bei denen Männlichkeit/Maskulinität als das Normale, Weiblichkeit/Femininität hingegen als das Andere gedacht wird. In diesem Kontext werden feminine Personen ebenfalls als weniger politisch, weniger queer und als oberflächlich abgestempelt und erscheinen in der Anlehnung an vermeintlich heteronormative Stereotype als nicht begehrenswert.
Feminine Subversion. Dabei wird jedoch das subversive Potenzial queerer Femininität übersehen. Queere feminine Performances richten sich gegen (hetero)normative Muster, stellen Femininität infrage und zeigen, wie vielseitig diese auch sein kann. Eine Femme zu sein oder feminin aufzutreten stellt einen tagtäglichen Akt der Revolution gegen das repressive System dar. Queere Femininität ist Empowerment, Selbstakzeptanz und das Ausleben der eigenen Identität in einer patriarchalen, sexistischen Welt. Dass sie dabei jedoch von Szenen abgewertet wird, die selbst für die verschiedenen Identitäten von systematisch unterdrückten Menschen kämpfen, ist besonders schade.
Julia Martin ist Lektorin und freie Journalistin in Berlin und definiert sich selbst als Femme.
3 Kommentare zu „Queere Femininität“
Vielen Dank für diesen Beitrag!
Ich habe das dieses Thema (ich würde fast Problem sagen)auch schon mehrfach in Diskussionen angebracht, wohl aber mit wenig Zustimmung, bzw. Diskussionsbedarf seitens der Gruppe.
Danke!
Herzliche Grüße!
DANKE auch von mir! Voll wichtig!!
Kann dazu nur Sabine Fuchs Buch “Femme!” empfehlen.
Knapp und gut die auf den Punkt gebracht. Danke dafür. Besonders wichtig fand ich den Hinweis auf den historischen Hintergrund, dass vor den zweiten Frauen*Bewegungen (ab den 1970er Jahren) Butch/Femme und queere Femininität nicht als unpolitisch wahrgenommen wurden. An den Stonewall-Riots waren “Dragqueens”, Femmes und Butches maßgeblich beteiligt. Aber nicht nur Femmeness wird in queeren Kontexten als unpolitisch oder “konservativ” wahrgenommen (falls sie wahrgenommen wird) – da gibt es noch eine andere Seite der queeren Norm-“Medaille”: Nicht jeder queere Maskulinitätsausdruck ist Teil des Hypes. Eine akzentuierte Butchness gerät ebenso in den Verdacht, heteronormativ, konservativ und unpolitisch und vor allem unfeministisch zu sein. Zu Grenzverläufen seit den 1980er Jahren:
https://femmebutchvision.wordpress.com/2016/01/23/back-into-the-80th-von-problem-butches-und-grenzverlaeufen-in-frauenlesbenraeumen/