Es ist ein fast schon dystopisches Bild, das sich zu Jahresbeginn in Rom bietet: Hunderte Rechtsextreme versammeln sich in der Hauptstadt, angeführt von der faschistischen Organisation „Casa Pound“. Zum Rechteck formiert stehen sie militärisch aufgereiht und strecken die rechte Hand zum „römischen Gruß“ in die Höhe – es ist das italienische Äquivalent zum Hitlergruß. Die „Faschisten des 3. Jahrtausends“ gedachten dreier Opfer eines linksterroristischen Anschlags im Jahr 1978, die Polizei sah keinen Anlass, einzuschreiten – auch die „postfaschistische“ Regierungschefin Meloni hüllte sich in Schweigen. Rechtsextreme und faschistische breiten sich (nicht nur) in Europa wieder aus – Politikwissenschafter*innen wie Natascha Strobl warnen davor, dass wir längst in „präfaschistischen Verhältnissen“ leben würden. Rechte Parteien und Gruppierungen eint nicht nur ein verbissener wie menschenverachtender Kampf gegen die „Genderideologie“, ihr großes Ziel ist eine Aushebelung des Asylrechts. Dabei ist eine massive Verschärfung von Migrations- und Asylpolitiken bereits jetzt Realität.
Im Dezember einigten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf eine sogenannte „Asylreform“, die ein einheitliches Asylverfahren an den Außengrenzen, eine Neudefinition sicherer Drittstaaten sowie einer Neuregelung der Verteilung von Asylwerbenden in den Mitgliedsstaaten vorsieht. Konkret bedeutet dies für Geflüchtete, dass es ihnen nahezu verunmöglicht wird, ein faires Verfahren mit genügend Zeit und Ressourcen in europäischen Binnenländern zu erhalten. Stattdessen müssen sie bis zum Bescheid unter haftähnlichen Bedingungen in „Camps“ an den Außengrenzen verharren. Weiters sollen die Kriterien für die Einstufung eines Drittstaats als „sicher“ verändert werden. Was nicht nur heißt, dass Geflüchtete problemlos in – wirklich überhaupt nicht sichere – Herkunftsländer abgeschoben werden können, sondern auch, dass die EU ihre Tore für Deals mit autokratischen Staaten noch weiter öffnet. Nichts davon dient tatsächlich dazu, wie gerne von Regierungen argumentiert wird, das große Sterben im Mittelmeer zu beenden. Es werden wohl genauso viele Menschen im Mittelmeer und an den EU-Außengrenzen sterben wie zuvor, die Festung Europa schottet sich nur ein Stück weiter ab.
Auch innerhalb von EU-Staaten werden Asylpolitiken wieder restriktiver. Dazu müssen nicht einmal Gesetze geändert werden, es reicht schon, Gesetzestexte strenger auszulegen. Das zeigt etwa ein Fall in Niederösterreich, wo ein asylwerbender Bräutigam während seiner Trauung auf dem Standesamt in Schubhaft genommen wurde. Asylrechtsanwalt Klammer bestätigt, dass dieses Verfahren zwar nicht per se rechtlich unzulässig, allerdings grausam und willkürlich sei – und in den letzten Jahren deshalb auch nie vorkam.
Solche Gesetze und Maßnahmen werden von großen Teilen der Bevölkerung begrüßt – oder zumindest nicht bekämpft. Daneben formieren sich die „rechten Ränder der Gesellschaft“ noch stärker als zuvor. Das Treffen rechtsextremer Kräfte in Deutschland vom 25. November 2023 zeigt das deutlich. Bei dieser geheimen Zusammenkunft, von der die Medien Wind bekamen, entwarfen unter anderem Mitglieder der AfD und der Identitären ehrgeizige Pläne, wie Asylwerbende – mit oder ohne Aufenthaltstitel – abgeschoben werden können. Auch „nicht assimilierte Staatsbürger“ solle es treffen, wie es der Identitären-Vordenker Martin Sellner formulierte. Was bizarr klingen mag, ist bitterer Ernst, es gibt bereits finanzielle Unterstützung, Marketingideen und eine über Jahre gewachsene rassistische politische Infrastruktur dafür. „Wenn ihr das nicht erkennt, habt ihr bereits verloren: nicht den Kampf, aber eure Menschlichkeit, euer Rückgrat und damit eure Freiheit“, kommentiert das der Verein Asyl in Not. Es sind eben nicht nur jene „rechten Ränder“, die Freiheits- und Grundrechte bedrohen. Konservatismus, Rassismus und rechtsextreme Einstellungen sind in allen Schichten der österreichischen und deutschen Gesellschaft, in den Strukturen aller Institutionen, in Schulen, Medien und Parteien zu finden. Es sind nicht nur Asylwerbende und Migrant*innen, die verlieren, wenn Faschisten Macht erlangen, es wird alle treffen. Ende Jänner gingen in deutschen Städten Hunderttausende auf die Straße, um gegen den Vormarsch der AfD zu protestieren. Es kann dies nur der Anfang sein.