Die Welt ist in Aufruhr. Die Pandemie schafft eine kollektiv empfundene Wunde, in der Vieles an die Oberfläche kommt. Verzweiflung, Trauer, Wut und Unsicherheit sind überall spürbar, sie suchen nach Formen der Vereinigung. Die findet sich nun in den globalen Protesten gegen die nicht enden wollende (Polizei-)Brutalität und Gewalt gegen Schwarze Menschen (nicht nur) in den USA. Bei aller Freude über die anhaltenden globalen Proteste gegen anti-Schwarzen Rassismus, die Mahnwachen für das Gedenken an das Leben eines Schwarzen Mannes, ist es wichtig, auch zu überlegen, wen wir als gemeinsamen Feind erkoren und wogegen wir ins Felde ziehen. Wir merken schon jetzt, dass etwas nicht ganz richtig ist, wenn es überwiegend Männer sind, deren Leiden uns zu kollektiven Solidaritätsbekundungen bewegen können. Zur selben Zeit, als George Floyd ermordet wurde, starb auch Breonna Tayler durch die Polizei von Louisville. Wenn Mahnwachen und Proteste den Opfern Menschenwürde (zurück)verleihen können, müssen wir uns fragen, warum die Morde an Schwarzen Frauen* und transidentischen Menschen nicht für solche Bekundungen zu „taugen“ scheinen. Unsere kollektiven Empathie-Bekundungen reichen aber auch deshalb nicht, weil sie die Ursünde des Rassismus weiter erhält: Es sind Bekundungen für die „Anderen“ und nicht ein Protest gegen das „Eigene“. Und das ist die zweite schmerzliche Erkenntnis. Das, wogegen wir uns global und kollektiv auch weiterhin stellen müssen, heißt Anti-Schwarzsein/Anti-Blackness. Es ist die historisch, politisch und emotional tief verwurzelte und in uns alle eingeschriebene Dehumanisierung von Schwarzsein. Schwarzsein wurde durch weiße Versklavung und weiße Kolonisierung so zum „Anderen“ gemacht, dass es als Antipode zum Menschsein dient/e. Anti-Schwarzsein ist, was uns in Deutschland davon abhält, umfassende Antidiskriminierungsgesetze, die landesweit gelten, zu etablieren, weil die „Befindlichkeit“ von Schwarzen Menschen dem Wohlfühlgehalt der Norm/alität untergeordnet wird. Lasst uns nüchtern anerkennen, dass unsere Gesellschaft von strukturellem Rassismus noch immer durchzogen ist und wir uns der Herausforderung der Veränderung und des Abbaus von Exklusion stellen müssen.
Peggy Piesche arbeitet in der Schwarzen feministischen Bewegung in Deutschland bei ADEFRA e.V. (Schwarze Frauen* in Deutschland).