alltägliche grenzerfahrungen
Erneut brachte Beyoncé mit ihrer „Suprise, bitches!“-Marketingstrategie die Welt zum Ausrasten. Am Abend vor ihrem Auftritt in der Halbzeitpause des Superbowl veröffentlichte sie ihr neues Musikvideo zu „Formation“. Darin zelebriert sie US-amerikanische Schwarze Kultur und macht deutlich, welche Konsequenzen Hurrikan Katrina für Schwarze Menschen in New Orleans hatte. Diese politischen Narrative erzählte sie dann bei der Halftime-Show weiter, einer Hommage an Black-Panther-Aktivist_innen, #BlackLivesMatter und Michael Jackson. Ach ja, eine Welttournee kündigte sie auch noch an. So weit, so beyachtlich.
Die einen sehen im Weltstar eine Art Messias, der nicht nur toll singen, tanzen und sich inszenieren kann, sondern auch noch eine bedeutungsvolle Aktivistin ist. Andere, besonders liberale, weiße Fans, sind geschockt und rufen zum Boykott auf, da Beyoncé sich in ihrem neuen Song vermeintlich gegen die Polizei positioniert (als wäre das etwas Schlimmes und nicht eher ein Grund, sich ihr Gesicht auf den Oberarm tätowieren zu lassen). Und dann gibt es die Kulturpessimist_innen (lies: Feminist Killjoys), die sie für die Aneignung einer radikalen Ästhetik, für die Kapitalisierung aktivistischer Kämpfe und auch für falsche Beytroffenheit kritisieren. Es stimmt: Hurrikan Katrina verursachte bei Beyoncé selbst wohl keine Traumata. Und der Terminus „Radical Chic“ trifft ihren Auftritt im neuen orientalistischen Coldplay-Video wohl am besten, darin trägt sie im „indischen Dress“ selbst zur Essentialisierung und Aneignung von PoC-Kulturen bei. Trotzdem ist ihre Positionierung ein wichtiges Statement innerhalb von Mainstreamkultur. Und natürlich ist da vieles problematisch. Als nicht-Schwarze Person of Color steht es mir dennoch nicht zu, jede der Kritiken an Beyoncé zu formulieren, zum Beispiel betreffend ihres Light-Skinned-Privileges. Beyoncés politischer Kurs hat sicher 99 Probleme, doch wir sind keines davon.
Hengameh Yaghoobifarah ist ein großer Beyoncé-Fan und kann seit der Tour-Ankündigung kaum schlafen. Das Prinzip kritischen Konsumierens findet sie trotzdem süper.