Unsere Reaktionen sind so vorhersehbar wie ihre. Während das rechte politische Spektrum nach islamistischem Terror reflexartig Gesetzesverschärfungen und Ausbürgerungen fordert, warnen wir „linken Feministinnen“ ebenso verlässlich vor der rechten Instrumentalisierung solcher Taten. Und erinnern daran, dass es auch andere Formen tödlichen Terrors gibt, der jedoch weit weniger politische Empörung und Entschlossenheit provoziert. Was uns wiederum sofort den Vorwurf einhandelt, solche Ereignisse relativieren oder gar legitimieren zu wollen und dabei das Problem des radikalen Islamismus zu ignorieren.
Deshalb sei zuallererst auf diesen Einwand erwidert: Ja, islamistische Radikalisierung ist ein Problem, das ernst genommen werden muss. Es genügt tatsächlich nicht, im Gegenzug nur auf das massive Problem der oftmals gar nicht als Terror klassifizierten rassistischen oder sexistischen Gewalt zu verweisen. Wer sonst jeder intersektionalen Verästelung unterschiedlichster Gewaltformen nachgeht, sollte tunlichst auch die spezifische Form radikalislamistischer Gewalt adäquat analysieren und adressieren.
Dies vorausgeschickt, nun aber auch die Erklärung, warum es eben keineswegs eine Legitimierung ist, solche monströsen Taten einzuordnen und Parallelen aufzuzeigen. Sondern vielmehr wichtige Voraussetzung, um Gründe und damit mögliche Gegenstrategien zu finden, damit sie künftig hoffentlich verhindert werden können.
Ein Anti-Terror-Paket übers Knie zu brechen, um von den eigenen fatalen Fehlern abzulenken, wie es die österreichische Regierung nun tut, ist dafür jedenfalls definitiv ungeeignet. Es ist evident, dass der Anschlag in Wien im bestehenden Rechtsrahmen hätte verhindert werden können, wenn die Behörden ihre Arbeit gemacht hätten. Und man muss gar nicht mit dem Schutz fundamentaler Menschenrechte argumentieren, um gegen Vorschläge wie den einer lebenslangen Präventivhaft zu intervenieren. Solche Taten werden mit Abschiebung und elektronischen Fußfesseln selten verhindert. Dem ihnen zugrunde liegenden menschenverachtenden Neofundamentalismus muss stattdessen ein demokratischer Diskurs mit einem anderen Menschenbild entgegensetzt werden. Und vor allem auch: einem anderen Frauenbild. Denn Terror ist – auch wenn es selbstverständlich vereinzelt Terroristinnen gab und gibt – ein männliches Phänomen. Er ist gelebte Männerfantasie, wie Klaus Theweleit es ausdrückt, der auch eine umfangreiche Studie über Terroristen verfasst hat. Natürlich kommt auch Anders Breivik darin vor, der 77 Menschen ermordet hat und dabei nicht nur von Rassismus, sondern auch von glühendem Frauenhass getrieben war. Dieser misogyne Hass ist nun ein Motiv, das Attentäter weltweit verbindet, egal ob ihr geschlossenes Weltbild ein rechtsextrem oder islamistisch geprägtes ist. „Breivik ist strukturell patriarchalischer Muslim wie auch norwegisch-christlicher Antisemit wie auch germanisch-sektierischer SS-Mann“, schreibt Theweleit.
„Macho-Religiosität“, nennt das der Terrorismustheoretiker Mark Juergensmeyer, der betont, dass sich die Terroristen – in der Regel sind es heterosexuelle junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren – trotz widerstreitender Ideologien und Religionen in ihrer militanten Sicht auf Männlichkeit kaum voneinander unterscheiden.
Die Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League warnt vor der tradierten Allianz von Antifeminismus und Antisemitismus und davor, dass Frauenhass oft den Einstieg in rechtsextremes Denken bietet. Der antifeministische Täterreigen von Halle und Hanau, Christchurch, El Paso und Toronto, wo ein ausgewiesener „Incel“ (vgl. S. 32) mit einem Lieferwagen hauptsächlich Frauen tötete, macht das deutlich. Denn ein Motiv für den Terrorakt, das zeigen die Täterprofile, ist gekränkte Männlichkeit, ein subjektiv empfundener männlicher Kontroll- und Identitätsverlust, der das Feindbild Feminismus nahelegt.
Doch während es bei dschihadistischem Terror regelmäßig als Entschuldigung missverstanden wird, wenn auch soziale und psychologische Motive angeführt werden, geschieht bei antifeministischem Terror, wie er sich weltweit in Femiziden und endemischen Gewaltexzessen gegen Frauen zeigt, das genaue Gegenteil: Er wird konsequent entpolitisiert und Tötungsdelikte werden nicht als Terror, sondern als individuelle Wahnsinnstat kategorisiert.
Gesinnungsprüfungen, die Teil von Deradikalisierungsprogrammen sind, sollten das Frauenbild von potenziellen Gefährdern daher unbedingt als wichtigen Indikator berücksichtigen. Joan Smith, Autorin des unlängst erschienenen Buches „Home Grown: How Domestic Violence Turns Men Into Terrorists“ belegt eindringlich, dass misogyne Gewalt Bestandteil des klassischen Täterprofils ist. Sie hat die Biografien Dutzender Attentäter analysiert – nahezu alle waren bereits als häusliche Gewalttäter aktenkundig. Anti-Terror-Maßnahmen sollten Gewalt gegen Frauen und antifeministische Ideologie als Warnzeichen ernst nehmen – es würde Leben retten.