Die Pandemie verlangt viel von uns. Wir werden als Gesellschaft gefordert, müssen zu unseren Werten stehen oder sie vielmehr erst finden. Die Kontaktbeschränkungen testen unsere Liebesfähigkeit, unsere Fähigkeit, mit anderen und für andere zu sein.
Seit einem Jahr leben wir nun schon mehr oder weniger in kleingemeinschaftlicher Isolation. Ausgerechnet in dieser Zeit habe ich mich verliebt. War es sowieso schon ein Wunder, in diesen Zeiten einer Liebe im wahrsten Sinne des Wortes begegnen zu können, so ist es nicht leicht, sie in diesen Zeiten zu halten und gar wachsen zu lassen. Und es war natürlich kein Wunder. Es war Tinder. Aber es war bestimmt auch der kleine Kitzel des Nicht-Alltäglichen, im ersten Pandemiesommer einen Menschen zu umarmen, zu streicheln, zu küssen; Körperlichkeit nach Monaten der Isolation. Eine frische, junge Liebe braucht ja auch erst mal keine anderen Menschen, könnte man meinen. Also win-win, diese Pandemie. Ein echtes Liebesnest? Not so much. Ich stelle immer mehr fest, dass Liebe Gesellschaft braucht. Einen Resonanzraum, in dem sie wachsen kann. Der Stress, den unterschiedlichen Phasen der Pandemiewellen und -beschränkungen gerecht zu werden, ist eine Belastungsprobe für eine junge Liebe: Welche Kontakte hat die andere? Kann ich mich darauf verlassen? Was sind das für Leute? Diese Fragen stellten wir uns nicht nur gegenseitig, wir haben sie auch in unseren gewachsenen queeren Familien gehört und diskutiert. Unserer aller Verantwortung in diesen Zeiten reicht nun mal weiter als nur für sich selbst. Im Prinzip bedeutet(e) dies, zwei Familien miteinander zu verbinden, die sich aber weiterhin nicht kennen und sich kein Bild von einander machen können. Das verlangt Vertrauen. Da kann es schon mal schnell im Alltäglichen wackeln und an ganz anderen Stellen knirschen. Dann wünschte ich mir Momente von beschwingter Alltäglichkeit; sie mit Freund*innen zu erleben, Veranstaltungen zu besuchen. Irgendwie fühlt sich das nach mehr Sicherheit an. Aber vielleicht ist es auch nur die Sehnsucht nach mehr Gesellschaft. Mehr Gesellschaft mit/in meiner Liebe.
Peggy Piesche lebt, liebt und arbeitet in Berlin, virtuell global und nunmehr auch in Gera/ Thüringen in der bpb zu Diversität, Intersektionalität und Dekolonialität.