Julischka Stengele
Eine fremde Stadt. Ich sitze an der Bushaltestelle und warte auf die Linie, die mich zu meinem Ausflugsziel bringen soll. Ich sitze einfach da und ruhe meinen müden Körper aus. Mehr hat es an diesem Tag nicht gebraucht, um einen Gewaltkreislauf in Gang zu bringen. Nur meine bloße Existenz, wieder einmal.
Die drei jungen Erwachsenen, die schamlos eine plumpe Beleidigung nach der anderen in mein Gesicht abfeuern und sich vor Lachen über meinen dicken Körper kaum halten können, stehen zwei Meter von mir entfernt. Es ist so unverfroren, so nah und anhaltend, dass ich es nicht länger über mich ergehen lassen will und die Konfrontation suche.
In der Regel habe ich bei Grenzüberschreitungen im öffentlichen Raum das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Die Täter rechnen oft nicht mit Gegenwind. Durch mein aktives, selbstbewusstes Verhalten sind sie meist schnell entwaffnet und treten eingeschüchtert den Rückzug an.
An diesem Tag aber ging der Schuss nach hinten los. Meine spontane Verteidigung ist aggressiv, ich antworte auf ihre Gewalt mit Gegengewalt. Sie lassen sich nicht davon beeindrucken. Beide Seiten erhöhen ihre Einsätze. Worte steigern sich zu ein paar Handgreiflichkeiten. Die Situation löst sich nicht auf, niemand räumt das Feld. Ich fühle mich hilflos in diesem Machtkampf um meine Würde und verbringe die letzten Minuten unter anhaltenden Beleidigungen schweigend damit, ihnen mit meiner körperlichen Präsenz unangenehm zu sein. Wenigstens das.
Der Bus, in den die drei einsteigen, bringt keine Erlösung, sondern eine weitere Eskalation. Einer versetzt mir von drinnen unter lautem Gebrüll zwei heftige Tritte in den Bauch. Dann schließen sich die Türen.
Ich verbleibe mit einem seltsamen Gefühlscocktail. Es ist mir nicht gelungen, meine Demütigung zu unterbinden. Ich bin traurig und unzufrieden über den verlorenen Kampf. Das angekratzte Ego schmerzt mehr als der Fußtritt.
Julischka Stengele lebt als Kunst- und Kulturschaffende in Wien. Sie weiß jetzt, dass es für Gruppen eine andere Strategie braucht als für Einzelpersonen. Sie ist es müde, zu wiederholen, dass #fatliberation nicht heißt: „Bikinis für alle“, sondern Gewaltprävention auf allen Ebenen.