In den letzten Monaten habe ich, bedingt durch mehrere Krankenhausaufenthalte, eine neue Erkenntnis über meinen Körper gewonnen: In medizinischen Kontexten ist mein Körper nicht menschlich, sondern sachlich. Ein Ding, das krank ist. Charakteristisch für Dinge ist, dass über sie verfügt wird. Sie haben kein Mitspracherecht dabei, was mit ihnen gemacht wird, wo und wie sie platziert werden, wann und wie sie angefasst oder transportiert werden. Dingen wird keine Privatsphäre und keine Autonomie zugestanden. Man muss ihnen gegenüber auch nicht höflich oder respektvoll sein.
Für das Pflegepersonal oder die Sanitäter*innen spielt es daher keine Rolle, dass ich, das kranke Ding, wach und ansprechbar bin. Warum sollte man ein Ding auch befragen oder es darüber informieren, bevor man dessen Kleidung hoch- bzw. runterzieht? Warum sich mit Namen vorstellen, auf Nachfragen eingehen, anklopfen oder eine Tür (wieder) schließen, damit nicht alle Welt des Dings nackten Arsch sieht? Warum nicht über es sprechen, als wäre es nicht anwesend? Wortlos die Decke zurückschlagen, es betasten oder anzapfen und ebenso wortlos wieder abrauschen?
Auch wenn der ruppig-routinierte Umgang sicherlich teilweise einen systemischen Ursprung hat, der Zeit-, Geld-, und Personalmangel verursacht, hält sich meine Empathie für mein Gegenüber dennoch in Grenzen.
Ich habe früh gelernt, dass Körper, die weiblichen gelesen werden, als Allgemeingut gelten. Viele gewaltvolle Erfahrungen haben dies zementiert. Und viele Jahre harte Arbeit waren notwendig, um mir das Selbstbestimmungsrecht über meinen eigenen Körper zurück zu erobern. Mich nun wieder vermehrt in Situationen zu finden, in denen mir dies so selbstverständlich abgesprochen wird, ist, gelinde gesagt, mehr als herausfordernd. Mein Handlungsspielraum hält sich in Grenzen: ich bin krank und auf medizinische Versorgung angewiesen. Wie hilfreich die vielen anonymen Hände, die sich mal mehr, mal weniger grob an mir zu schaffen machen, für meine psychische Gesundheit sind, ist allerdings fraglich.
Julischka Stengele lebt in Wien und arbeitet international als Künstlerin, Kulturschaffende, Textproduzentin und Lehrende. Diese Kolumne entstand vor der Corona-Pandemie.