auch feministinnen altern
In den Siebzigerjahren war ich heftigst damit beschäftigt, einen Platz in dieser Gesellschaft zu finden und mit Unverständlichkeiten, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen zurechtzukommen, ohne daran zu verzweifeln. Mein Engagement in kulturellen, gesellschaftspolitischen und politischen Aktionsgruppen verstärkte die in meinem Charakter bereits angelegte Tendenz zu tageslichttauglichem Galgenhumor, trug jedoch auch zu noch mehr persönlicher Verwirrung bei. Glücklicherweise gab es feministische Literatur! Sowohl BuchhändlerInnen als auch PostzustellerInnen schauten zwar verlegen nach unten, wenn sie mir – neben Büchern europäischer und US-amerikanischer Autorinnen, die mir Erklärungsmodelle und Analysen boten – die Berliner „Courage“ und später die Wiener „AUF“ überreichen mussten. Für mich war die Auseinandersetzung mit den Stimmen und Themensetzungen all dieser Frauen zentral für die Schärfung und Weiterentwicklung sowohl meines analytischen als auch des verstehenden Blicks.
In den Achtzigern kamen zu den genannten Zeitschriften die an.schläge dazu: Eine der Gründungsfrauen sprach mich an und gewann mich als Abonnentin, noch vor der Nullnummer. Zu Beginn ihres Zeitungslebens waren die an.schläge nicht gerade atemberaubend informativ, auch optisch nicht überwältigend, doch solidarische Haltung und die Tatsache, dass ich zu jener Zeit in meiner Lebensnische an eher schlecht gestaltete Publikationen mit suboptimaler Druckqualität gewöhnt war, ließen mich dranbleiben. Aber das war der an.schläge-Anfang! Inhaltliche Ergiebigkeit und Neuigkeitswert der Themen und Thesen nahmen ebenso beständig zu wie Lesbarkeit und Layout. Gleich geblieben während der drei Jahrzehnte dürfte allerdings der Grad der Selbstausbeutung der Redakteurinnen und Autorinnen sein – so vermute ich zumindest.
Die an.schläge begleiten mich also bereits mein halbes Leben. Ich halte uns beide mittlerweile für richtig gut und nahezu unentbehrlich. Ich wünsche uns entwicklungsreiche und interessante nächste Jahrzehnte!
Christine Hartmann lebt seit den Siebzigern in der Provinz und ist nach wie vor über perturbierende Denkanstöße glücklich.