auch feministinnen altern
Das Imperium, über das sie herrscht, gibt es nicht mehr, sie hingegen gibt es noch. Die Queen hat Geburtstag, der wird ausgiebig gefeiert, sie schreitet Spaliere ab oder durch ihre 775 Räume, absolviert Alltägliches und reitet täglich auf einem Pony. Das Haupthaar des Enkels lichtet sich bereits bedenklich, doch Ihre Majestät winkt und nickt und lächelt, sparsam, es muss noch lang halten.
Eine Inderin, sweet seventy, hält ihr erstes Kind in den knochigen Armen. Es ist ganz neu, der Gemahl und sie staunen dieses Wesen an, wie haben sie das nur zustande gekriegt? Eine ebenfalls hochmotivierte deutsche Mittsechzigerin ist mit Vierlingen gesegnet. Der Expertin, die in die Zukunft schauen kann, sagen wir zwei Jahre weiter, erscheint dies ein unfaires Match: ein Wurf von Turbo-Terrorist_innen gegen eine einzige, wenn auch relativ rüstige, Dame.
Dass hochbetagte Damen ihre Wohnung und sich selber bis zum Schluss in Schuss halten, wie oft lobend erwähnt wird, ist nicht neu, nun aber hört frau immer öfter von solchen Top-Leistungen ihrer Geschlechtsgenossinnen, ihr wird angst und bange. Achtzigjährige Models! Neunzigjährige Fallschirmspringerin! Die machen nicht einfach schlapp und legen sich nackt auf die Donauinsel.
Siebzig ist das neue Fünfzig, lese ich. Ist das eine Drohung? Mit fünfzig startet frau schließlich noch mal neu durch, gründet eine Firma, sucht sich einen Lover, der ihren Hormonhaushalt durcheinanderwirbelt. Hormonhaushalt ist viel interessanter als Haushalt. Sie zieht Stöckelschuhe an wie zuletzt mit vier und schmiert sich abenteuerlich an.
Neuerdings wird Speeddating für Senior_innen angeboten, vierzig Sekunden! Bei der unstimmigen Geschlechterproportion müssen die alten Konkurrentinnen aber ordentlich anspeeden! Natürlich kann frau nicht ausschließen, dass sie mit coolen hundert noch mal der Wandertrieb packt, oder sonst ein Trieb, es ist schön, dass unsere Gesellinnenschaft uns diese Option offen lässt.
Aber mit siebzig … da könnte frau sich doch mal zurücklehnen, den Wölkchen zuschauen, die über den Abendhimmel ziehen, und an der Zigarette ziehen – oder am Joint.
Michèle Thoma, ewige Anfängerin.