Es ist das Musikereignis der Superlative: Taylor Swifts „The Eras“-Tour. Der wohl größte Popstar unserer Zeit spielt Shows auf fünf Kontinenten. Auch in Wien hätte sie Anfang August an drei Abenden im Ernst-Happel-Stadium auftreten sollen. Doch es kam bekanntlich anders.
Nach der Absage wegen Terrorgefahr sagte Österreichs Innenminister Karner: „Die Lage war ernst, die Lage ist ernst. Aber wir können auch feststellen: Eine Tragödie konnte verhindert werden.“ In den Nachwehen macht sich ein Unbehagen breit. Ja, eine Tragödie konnte vermutlich verhindert werden. Man kann davon ausgehen, dass einige der 60.000 Besucher*innen, die bei jeder Show erwartet wurden, das geplante Attentat des 19-Jährigen mit mutmaßlichen Verbindungen zur radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht überlebt hätten. Doch um Terror dauerhaft abzuwehren, müssen jetzt Prävention und Bildungsarbeit folgen.
Wie kommt es dazu, dass sich junge Männer so drastisch islamistisch radikalisieren, dass sie anderen Menschen und sich selbst das Leben nehmen wollen? Einfache Begründungen zu finden, ist schwierig. Radikalisierungsprozesse sind ein Zusammenspiel komplexer Faktoren und können sehr unterschiedlich verlaufen, aber oft gibt es Ähnlichkeiten.
So stoßen Jugendliche z. B. immer öfter auf TikTok auf Videos muslimischer Prediger, die laut Piotr Suder von der Organisation Extremismus Prävention Online einen harmlos wirkenden Einstieg in immer extremistischeres Gedankengut darstellen. Die Betroffenen isolieren sich schleichend von anderen und wenden sich schließlich von der Gesellschaft und ihrem früheren Umfeld ab. Die Radikalisierung wird durch Krisenerfahrungen und Erfahrungen des persönlichen Scheiterns befördert. Oft wird sie aber auch bloß durch die Suche nach Sinn und Identität, also einem ganz normalen Prozess bei Jugendlichen, angetrieben. Extremistische Ideologien, die einen exklusiven Wahrheitsanspruch vorgeben und die Welt strikt in Gut und Böse einteilen, liefern klare Orientierung und erhöhen dabei auch noch das Selbstwertgefühl.
Doch ein wichtiger Push-Faktor wird in der Analyse oft übersehen: Auch gesellschaftliche Ausgrenzungserfahrungen machen Menschen anfällig für islamistische Propaganda. Das Erstarken islamistischer Einstellungen und Mobilisierungen in der post-migrantischen Gesellschaft werden also durch die wachsende islamfeindliche Stimmung durch rechtspopulistische Bewegungen und Parteien wie die FPÖ gerade begünstigt.
Vor der Nationalratswahl verspricht sich Kickls Partei noch mehr Wählerinnenstimmen durch rassistische Scheinlösungen gegen Islamismus. Dass die von ihnen mitverantworteten gesellschaftlichen Ressentiments gegen Muslim*innen Radikalisierungen noch verstärken, wird dabei geflissentlich ignoriert.
Doch soll der Kampf gegen den Islamismus Erfolg haben, muss er sich stattdessen auch klar gegen Islamfeindlichkeit positionieren. Und er muss berücksichtigen, dass islamistische Radikalisierung nicht an religiöse Sozialisierung oder Migrationsgeschichten geknüpft ist, was Figuren wie Pierre Vogel, ein islamistischer Prediger, der früher evangelisch war, unter Beweis stellen.
Statt plumper Hetze braucht es Radikalisierungsprävention. Dabei ist die Schule das wichtigste Handlungsfeld, in dem Jugendliche demokratische Kompetenzen vermittelt bekommen. Es braucht Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer*innen, die es ihnen ermöglichen, extremistische Propaganda aller Art zu erkennen und angemessen pädagogisch zu intervenieren. Die Präventionsforschung macht klar, wie wichtig dabei Respekt und Empathie gegenüber religiös eingestellten Jugendlichen sind.
Der Islam ist eine Religion, der Islamismus hingegen ist eine politische Ideologie. Als Feminist*innen müssen wir uns klar gegen diese gewaltvolle, anti-demokratische Ideologie positionieren und solidarisch mit ihren weltweiten Opfern sein, mit Frauen, Queers, ethnischen und religiösen Minderheiten wie Jüdinnen, Jesid*innen oder Kurd*innen. Denn eine klare Haltung gegen Islamismus darf nicht an den Grenzen der eigenen Gesellschaft enden. Seine Opfer sind auch die Menschen, die dem IS während seiner Terrorherrschaft in Syrien und Irak ausgeliefert waren. Es sind die Menschen, die vor den Mullahs aus dem Iran fliehen müssen, damit sie als Frauen über ihre eigene Kleidung bestimmen können. Eine klare Haltung gegen Islamismus muss deshalb auch beinhalten, sich gegen Abschiebungen nach Kabul oder Teheran zu positionieren. Eine klare Haltung gegen Islamismus bedeutet auch, das Recht auf Asyl nicht infrage zu stellen.