Sprachen zu lernen, ist ein großer Aufwand. Ein noch größerer Aufwand ist es, zu kommunizieren, was man wirklich denkt. Insbesondere, wenn man keine gemeinsame Sprache teilt.
Viele Kinder von migrierten Eltern verlernen nach einer gewissen Zeit die Sprache ihrer Eltern, wenn sie in einem anderssprachigen Umfeld aufwachsen. Nur jene, die Glück haben – ich darf mich dazu zählen – können später im Erwachsenenalter mit mehreren Sprachen jonglieren.
Doch für viele junge Menschen, deren Eltern migriert sind, gehört es zur Realität, dass sie sich nicht vollständig mit ihnen austauschen können. Während einfache, alltägliche Kommunikation durchaus gut läuft, verläuft es sich bei Themen, die mehr Vokabular benötigen, schwieriger. Was muss das für ein Gefühl sein, mit seinen eigenen Eltern nicht die tiefsten Sorgen teilen zu können, nicht so verbunden sein zu können, allein weil die Sprache dafür fehlt?
Und wie ist es mit Paaren, die von Beginn an keine gemeinsame Sprache hatten? Ich denke da an meine Eltern und daran, wie sie sich kennenlernten. Denn mein Vater sprach nur gebrochenes Japanisch, meine Mutter damals kein Wort Deutsch. Irgendwie schafften sie es trotzdem, sich die Bälle zuzupassen, den Ball des jeweils anderen aufzufangen, auch, wenn sie nicht wussten, wohin er geworfen wird. Doch worüber sprachen sie? Wie tauschten sie sich aus, wie kommunizierten sie über ihre intimsten Zweifel, über ihre sehnsüchtigsten Wünsche?
Im Laufe der Jahre entwickelten meine Eltern eine gemeinsame Sprache, eine, die nur sie beide verstanden, und wir Kinder, weil wir damit aufwuchsen. Ich frage mich aber, ob sie irgendwann gelernt haben, in ihrer eigenen gemeinsamen Sprache auch ihre Geheimnisse zu teilen. Und falls nein – was das mit ihnen macht. Was das für ein Gefühl sein muss, selbst mit der intimsten Person nicht offen über die eigenen Gedanken sprechen zu können. Und ob das auf Dauer nicht furchtbar einsam macht. Die Fragen häufen sich, Antworten habe ich selbst keine.
Shoko Bethke ist freie Autorin und lebt und schreibt derzeit aus Tokyo. Auch hier weigert sie sich, fürs Ramen-Essen Geld zu bezahlen, weil sie sie selbst besser zubereiten kann.