leben mit kindern
„Bub oder Mädchen?“ Die Frage erscheint plötzlich wie eine unerwartete Weggabelung auf einer Straße, auf der ich eigentlich erst noch gemütlich ein bisschen geradeaus flanieren und mich umschauen wollte. Dass Männer und Frauen in Kleiderkaufhäusern auf getrennte Stockwerke geschickt werden, ist zur Gewohnheit geworden. Aber für den Vater, der Schuhe für seine noch nicht mal zweijährige Tochter kaufen möchte, ist der Entscheidungszwang als Ausgangspunkt eines Verkaufsgespräches dann doch ein Schock. Vor allem wenn sich die Angst, die wahrheitsgemäße Auskunft über die Geschlechtszuordnung führe zu einem Eintauchen in eine Welt des rosa Terrors, restlos bewahrheitet, sobald das Verkaufspersonal Ansichtsexemplare herbeischafft.
Beim ersten Paar Schuhe entfährt mir noch ein defensives Gemaule, worauf sich die Verkäuferin direkt an meine Tochter wendet und sie als Verbündete adressierte, der das Recht zugestanden werden soll, auch gegen den Widerstand der Eltern Rosa tragen zu „dürfen“. Wäre zu diesem Zeitpunkt ein Spontan-Vortrag über anerzogene Geschlechterstereotype fällig gewesen? Vielleicht, aber ich bin davor zurückgeschreckt, denn gerade im Gespräch mit einer Schuhverkäuferin, die nicht nach Studentin mit Übergangsjob aussieht, drängen sich Gedanken über die Klassenkomponente entsprechender Diskurse auf. Transportierte ihr skeptischer Blick nicht den unausgesprochenen Vorwurf, die emanzipatorischen Pädagogik-Vorstellungen der Eltern seien nur eine vorgeschobene Begründung für Distinktionswünsche, die auf die Kinder übertragen werden? Leute, die aus der Reihe tanzen (bzw. das Kind aus der Reihe schubsen), weil sie sich für was Besseres halten?
Doch selbst wer solche Gedanken verscheucht und sich im Kaufhaus durchsetzt, ist noch lange nicht am Ziel. Die härtere Prüfung stellt sich in Form von Verwandten und Bekannten, die uns tonnenweise Kleidungsstücke bringen, aus denen ihre Kinder herausgewachsen sind: Denn sag mal deiner Oma ins Gesicht, dass du die handgestickte rosa Mützchen-Kollektion, die bereits ihre Großmutter getragen hat, für dein Kind unpassend findest.
Beat Weber ist eine Autoren-Leihgabe der Zeitung „MALMOE“ (www.malmoe.org).