leben mit kindern
Das Türschild „Wir haben Windpocken!“ hat in vielen Kinderbetreuungseinrichtungen derzeit Hochkonjunktur. Kinder mit abgeheilten Pünktchen kommen zurück, andere werden mit frischen Pünktchen nach Hause geschickt: Rote Punkte sind allgegenwärtig. Und Kindergartenpädagoginnen lieben rote Pünktchen! Nicht etwa, weil die gepunkteten Kinder gar so süß aussehen, sondern weil das Schild verspricht, was das Gesetz verhindert: kleinere Gruppen in den nächsten Wochen! Viele Eltern bringen zwar auch ihre noch nicht gesundeten Kinder, weil sie den Pflegeurlaub schon im Februar verbraucht haben – dennoch: Zeit für Ausflüge, Zeit für individuelle Anliegen der Kids, Zeit zum Vorlesen und Beobachten, Zeit endlich wieder mal einen Buben-Mädchentag zu machen.
Wäre da nicht das Kratzen im Hals, das seit dem letzten Waldtag nicht mehr weggehen will. Zu viel und zu laut bei kalter Luft geredet. Kopfweh macht sich auch noch breit. Aber jetzt zu Hause bleiben? Wo die Kollegin sich um ihre eigenen gepunkteten Kinder kümmern muss? Wer macht dann den Frühdienst? Wer schließt am Abend den Betrieb? Lieber noch eine Tablette nehmen, geht schon irgendwie. Schließlich ist auch noch die Kollegin aus der Nachbargruppe in Urlaub, Ersatz gibt’s nicht, die Gruppen werden zusammengelegt. Der Mädchen-Bubentag fällt dann eben doch wieder aus, und die Rollenspiele, bei denen Mädchen davonlaufen und Buben hinter ihnen her, können nur kurzfristig entschärft werden. Für Gesprächsrunden oder kooperative Spielanregungen fehlt die Zeit. Die Krippenkinder verlangen schließlich jede Aufmerksamkeit. Und ja, solange der Zeichentisch besetzt ist, sind zu-mindest diese sechs Kinder beschäftigt – hoppla – ausschließlich Mädchen – na egal. Zumindest die sind die nächste Zeit vertieft und verlangen aktiv keine Aufmerksamkeit. Und beim Aufräumen sind es wieder vorwiegend Mädchen, die ihr Zeug und gleich auch das der anderen wegräumen. Auch wenn es der feministisch gesinnten Pädagogin widerstrebt: Ohne ausreichend Zeit geht sich eine geschlechtergerechte Kindergartenwelt selten aus.
Barbara Tinhofer und Kristina Botka finden Pünktchen grundsätz-lich super. Sie sind richtige i-Pünktchen-Reiterinnen, wenn es um geschlechtergerechte Kindergartenpädagogik geht!