leben mit kindern
Beat W. hat ein Problem: Getrieben von der ständigen Angst, etwas zu versäumen, hetzt er von einer Aktivität zur anderen, kann keine fünf Minuten bei etwas verweilen. W. ist kein Einzelfall: Der moderne Mensch geht in einer Flut von Angeboten unter, die permanent um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren. Chronische Konzentrationsschwäche ist die Folge. Und niemand leistet Hilfe. Weitergereicht von den gesellschaftlichen Institutionen Elternhaus, Schule und Büro wie eine heiße Kartoff el, setzen schwere Fälle wie W. ihre letzte Hoff nung auf uns: die strengsten Babys der Welt. „Elternkarenz“ mag als Name für unser Programm wie ein irreführender Euphemismus klingen, aber wer hier einzieht, dem bzw. der sind die Regeln schnell klar: Untertags ist kein Handy, keine Fernbedienung, kein Buch in die Hand zu nehmen. Andernfalls schreiten wir ein – laut und körperlich. Kochen? Hat zügig und schlicht zu erfolgen – wir überwachen den Zeitplan und halten dabei stets einen Arm in Beschlag, um Extratouren zu unterbinden. Klopausen? Wir durchschauen diese Fluchtversuche – Babys schaff en es schließlich auch mit Windel. Einkaufen? Ein inszenierter Wutanfall gleich vor dem Obstregal schaff t die richtige Atmosphäre und unterbindet ziellos konsumistisches Flanieren. Zuhören und Konzentration auf das Wesentliche sind Eigenschaften, die am besten durch Warten erlernt werden – einer Fähigkeit, die den aufmerksamkeitsdefi zitären Konsumjunkies von heute völlig abhanden gekommen ist. Deshalb lassen wir uns besonders mit dem Einschlafen gerne Zeit. Das diszipliniert die InsassInnen, die dadurch verkürzte Zeit gut einzuteilen, mit der sie hinter unserem Rücken dann wieder ihren alten Gewohnheiten nachhetzen. Der jetzt vielleicht entstehende Eindruck, bei uns würde Bootcamp-mäßig nur gestraft, wäre aber verfehlt: Bei guter Führung wird gekuschelt und ein bisschen gespielt. Damit kann kein teures Digital-Detox-Resort konkurrieren!
Beat Weber ist eine Autorenleihgabe der Zeitschrift „MALMOE“.