leben mit kindern
Ich geh jetzt wieder in die Schule. Körperlich eigentlich nur zum Hinbringen meiner Tochter bis zum Schultor. Bis zur Garderobe neben dem Klassenzimmer wurden die Eltern nur in den ersten zwei Wochen vorgelassen. Eine Absage an kontrollwütige Helikoptereltern? Eher eine Zuweisung an den rechten Platz: daheim. Denn dort wartet nach Ende der Ganztagsschule das Nachsitzen
in einer anderen Autoritätskonstellation. Die Schule macht mich zu ihrer subalternen Disziplinierungsinstanz, irgendwo zwischen Hilfslehrkraft und selber Schulkind. Die Kinder in der Früh pünktlich aus dem Haus treiben ist nach fünf Jahren Kindergarten nicht wirklich neu. Der Rollenausbau setzt am Abend ein. Zunächst fand ich die häufigen Nachrichten im Mitteilungsheft irgendwie erfreulich – wer schreibt einem denn heutzutage noch Briefe? Aha, morgen Herbstausflug, bitte folgende Jause und Ausrüstung etc. Papa unterschreibt wichtigtuerisch. Bald kamen Leseübungs-Aufgaben hinzu. Seit dem zweiten schriftlichen Verweis (Fehlerzeichen, rot) wegen einer nicht geleisteten Unterschrift hat sich in Papas anfangs so selbstbewusst schwungvolle Signatur eine etwas zittrige Note eingeschlichen.
Hab ich wieder eine geforderte Bestätigung verpasst? Eine Übung übersehen oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt? Weitere potenzielle Belege des Versagens in meiner mit „Sandwich“ treffend bezeichneten Position lauern auch anderswo in der Schultasche: ein Pausenbrot bloß lustlos angebissen? Die falsche Jause zubereitet! Restlos aufgegessen? Das Kind unterversorgt!
Einer meiner Volksschulkollegen wurde einst wegen eines aus der Schultasche verschwundenen Bleistifts wochenlang von seiner Mutter drangsaliert. Dass ich nicht so enden will, dachte ich mir damals in Bezug auf seine Person. Heute eher in Bezug auf ihre.
Die mitunter in Elternratgebern genährte Hoffnung, man könne erzieherische Autoritätsausübung an die Schule delegieren, wird nicht nur in der Regel enttäuscht, sondern läuft eher in die entgegengesetzte Richtung. Willkommen zurück auf der Schulbank. Der innere Musterschüler und der innere Dissident steigen wieder in den Ring. Hoffentlich mit einem erfahrungsgereifteren Ausgang als früher.
Beat Weber ist zweifacher Vater in Wien.