Als Alexandra Föderl-Schmid, die stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“ und ehemalige Chefredakteurin des „Standard“, Anfang Februar lebend unter einer Innbrücke in Braunau gefunden wird, ist die Erleichterung groß. Der Schock über das, was sich in den Tagen zuvor ereignet hatte, sitzt jedoch tief.
Ende des vergangenen Jahres beauftragt das rechtspopulistische Portal „Nius“ rund um Ex-Bild-Chef Julian Reichelt den selbsternannten Plagiatsjäger Stefan Werber mit der Überprüfung von Föderl-Schmids Doktorarbeit sowie ihren journalistischen Texten. Noch bevor die Prüfung abgeschlossen ist, veröffentlicht „Nius“ den vernichtenden Zwischenstand unter der reißerischen Überschrift „Plagiats-Skandal bei der SZ: In manchen Absätzen stammt nur das Gendern von Vize-Chefin Föderl-Schmid“. Das Portal steht schon länger in der Kritik, bewusst Methoden der Desinformation anzuwenden und so ein verzerrtes Bild zu zeichnen. Mit ihren in dieser Drastik haltlosen Vorwürfen schüren Weber und Reichelt Hass, der sich binnen Stunden in den Sozialen Medien zu einem tobenden Sturm entwickelt. Auf Föderl-Schmid prasselt eine Welle an Hasskommentaren nieder, sie wird diffamiert, herabgewürdigt und entmenschlicht.
Diese Dynamik verdankt sich der spezifischen DNA Sozialer Medien. Eine aktuelle Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zeigt, dass Frauen auf allen untersuchten Plattformen und in allen Ländern, die Personengruppe sind, die am häufigsten Opfer von Hasspostings wird. Hetze gegenüber Frauen beinhaltet fast immer gewaltvolle Sprache, Mobbing und Belästigung sowie auch konkrete Aufstachelung zu sexueller Gewalt. Die Misogynie im Netz spiegelt den alltäglichen gesellschaftlichen Frauenhass in verdichteter Form wider. Die digitale und die reale Welt sind dabei eng verbunden. Häufig beginnen Radikalisierungsprozesse in einschlägigen Onlineforen, in denen Maskulinisten frauenfeindliches Gedankengut verbreiten. Immer wieder übersetzt sich das in brutale Gewalttaten in der realen Welt, wie etwa 2021 bei dem Attentat eines 22-Jährigen im britischen Plymouth, der insgesamt fünf Menschen erschoss. Im Nachhinein wurde seine schreckliche Gewalttat mit der Incel-Bewegung in Verbindung gebracht. Kurz vor dem Attentat postete er noch in den Sozialen Medien: „Frauen sind arrogant und unfassbar anmaßend“.
Auch Jasmina Kuhnke kennt digitale Gewalt, die online vom misogynen Mob ausgeht. Was Hass betrifft, sei sie ein Elfmeter ohne Torwart: Schwarz, Frau, Mutter, sagte sie dem „Spiegel“. Die Autorin engagiert sich gegen Rassismus und hat auf Twitter mehr als 133.000 Follower. Besonders Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen und ihre Reichweite für emanzipatorische Anliegen nutzen, sind Konservativen und Rechtsextremen ein Dorn im Auge. Hasskommentare und Shitstorms werden von ihnen im Netz als Machtinstrument verwendet, um Frauen systematisch zum Schweigen zu bringen. Nachdem Kuhnke Morddrohungen erhielt und sogar die Adresse ihres Hauses von Nazis im Netz öffentlich gemacht wurde, musste sie mit ihrer Familie umziehen. Es sei zu ständigen Schikanen gekommen – Lieferdienste und Boten klingelten an ihrer Tür und brachten Zeug, das sie nie bestellt hatte.
Gesellschaftlicher Wandel wird von einer Zunahme von Hetzjagden im Netz begleitet, es kommt zu einer zunehmenden Polarisierung und Pauschalisierung. Der Spielraum für Diskurs wird immer kleiner. Die Opfer von Hass und Hetze dienen als Stellvertreter*innen eines politischen Spektrums, das der eigenen Überzeugung diametral entgegensteht und deshalb mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Der Dauerkrisenmodus, in dem wir uns befinden, lässt Emotionen überhandnehmen, vor allem Hass. Mehr Transparenz und klare gesetzliche Richtlinien, wie es die FRA fordert, um einen sicheren digitalen Raum für alle zu gewährleisten, sind also dringend nötig.
Frauenhasser und all jene Akteur*innen, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat aushöhlen wollen, haben schließlich neue, mächtige Werkzeuge in der Hand. Elon Musk wird das nicht für uns regeln.