Miriam-Lena Horn
Mit vorsichtigem Optimismus lässt sich aus der Europapolitik berichten, dass die Europäische Kommission endlich einen Gesetzesentwurf zu den Lieferketten vorlegen wird. Bislang oblag es vor allem den Konsument*innen, sich zu fragen, ob die eigene Jeans vielleicht auf Kosten der Atemwege einer äthiopischen Textilarbeiterin sandgestrahlt wurde – Frauen sind nämlich in überproportional vielen Fällen die Leidtragenden schlechter Bedingungen in den globalen Lieferketten. Die verantwortliche Industrie versteckte sich bisher hinter freiwilligen Initiativen gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Verstöße gegen Umweltstandards.
Jetzt endlich hat die Kommission in einer Befragung von 334 Unternehmen festgestellt, dass nur die wenigsten freiwillig sicherstellen, dass ihre Lieferketten keine Umweltschäden anrichten und dass Arbeitnehmer*innen fair behandelt werden. Aus dieser – nicht sehr überraschenden – Erkenntnis rührt also der Wille, nach vielen Jahren der strikten Weigerung endlich eine gesetzliche Regelung zu schaffen.
Natürlich laufen Teile der industriellen Verbandslandschaft in Brüssel und anderswo Sturm. Man könne nicht die gesamte Lieferkette der eigenen Produkte kontrollieren und wolle auch nicht dafür haftbar gemacht werden. Diese Blockadehaltung sorgt bei Konsument*innen wie auch progressiven Politiker*innen zu Recht für Verwunderung. Ist es wirklich unmöglich, die Komponenten und Produktionswege des eigenen – in der Regel ja durchaus einträglichen – Produkts nachzuvollziehen? Zum Beispiel anhand von Zertifikaten und mittels Zusammenarbeit mit zertifizierten Rohstoffproduzent*innen?
Im nächsten Schritt legt das Europäische Parlament einen Anforderungskatalog an das Gesetz vor. Dann bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Kommission vom industriellen Entrüstungssturm beeindrucken lässt, bevor sie im Januar einen Entwurf vorlegt. Ein weiter Weg liegt vor uns, der erste Schritt jedoch ist getan.
Miriam-Lena Horn ist eine der Organisatorinnen von Period. Brussels. Sie arbeitet seit 2014 als handelspolitische Referentin für einen Abgeordneten der SPD im Europäischen Parlament.