Nachdem Postler Herbert aus dem Weinviertel der Gattin den Garaus gemacht hatte, kam es in den Medien zu allerhand Beileidsbekundungen. Beigelitten wurde ausgiebig, was hatte den armen Postler Herbert nur dazu getrieben? Ausgerechnet Herbert.
Er ist Postler im Ruhestand, im bestimmt wohlverdienten Ruhestand, immerhin ist Herbert 88. Er war immer gesellig und allseits beliebt. Eben noch hatte er Ribiseln geerntet, mit der Seinigen. Und dann so was.
Er hatte sich zurückgezogen, seit Wochen, der Alte war nicht mehr der Alte, grübelten die Nachbar_innen. War er vielleicht krank, rätselte Mann auf oe24.at. Also etwas, an dem Mann hätte sterben können, mit beinahe neunzig? Und war er darob derart verzweifelt, dass er zur Verzweiflungstat schritt? Aus purer Fürsorglichkeit? Weil er die Gattin nicht allein lassen wollte, fühlten die Mannen auf oe24.at schon mal mit.
Er nahm sein Geheimnis mit ins Grab, die Seinige leider auch. Halt, nein! Uff, Ersteres verschob er im letzten Augenblick noch, kein Stress, stattdessen marschierte er ins zuständige Polizeikommissariat und stellte sich wie ein Mann.
Herbert harrt jetzt der Strafe, aber wahrscheinlich war er eh schon gestraft genug gewesen. Mit derjenigen. Wer sie war, außer dass sie Ribiseln sammelte und Kinder hatte, mit ihm, erfuhren wir nicht, und dann war schon wieder was anderes, Beirut und Bank im Burgenland, ein bisschen Verschnaufpause auch. Bevor der Nächste verzweifelt.
Weil sie ihn verlassen will, zum Beispiel. Da muss sich eine natürlich nicht wundern. Nicht nur in den Kreisen, in denen Gehen ein No-Go ist. Ihn verlassen! Allein! Lassen! Mama! Kein Wunder, dass das Messer plötzlich steckt, in ihr. Die Weiber bringen die Männer um den Verstand. Und die sie dann um. Logisch.
Oder er verzweifelt, weil sie ihn nicht verlässt. Weil sie in Windeln im Rollstuhl sitzt, zum Beispiel. Weil sie alt ist und seine Mutter oder alt und seine Frau. Weil sie ein Pflegefall ist. Er war so überfordert, ein mitleidiges Murmeln breitet sich aus, das den armen Hinterbliebenen wärmt wie ein Mantel.
Es ist wirklich zum Verzweifeln!
Michèle Thoma, die auf die Hundert zugeht, verzweifelt so langsam.