Als männliches bzw. nicht-binäres Cheerleading-Team feuern die „Fearleaders“ die Spieler*innen des Vienna Roller Derby an. Naomi Lobnig hat bei Andreas Fleck und Romed Felderer nachgefragt, wie sie ihre eigene Männlichkeit reflektieren – und was das nachfolgenden Generationen bringt.
an.schläge: Bei euren Auftritten tragt ihr knappe Hotpants mit Hosenträgern und hautenge Shirts. Warum gerade solche Outfits?
Andreas Fleck: Wir möchten so Sexismus im Cheerleading zum Thema machen. Warum ist es für den männlichen Blick normal, leicht bekleidete Frauen zu sehen, die ihre Sportkollegen am Feld anfeuern? Warum wirkt das in die andere Richtung, also wenn Männer das machen, absurd oder lächerlich? Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Männer sich in knappen Outfits präsentieren.
Gleichzeitig ist es auch eine gewisse Form von Freiheit, die man sich in seiner Männlichkeit nimmt, indem man mal ausprobiert, sich in solchen Outfits zu bewegen, zu präsentieren oder andere Seiten an sich zu entdecken.
Ist es also eine Strategie gegen Sexismus?
Romed Felderer: Es ist ein Versuch, sexistische Strukturen aufzuzeigen. Wie gut das funktioniert, ist schwer zu sagen. Ich bezeichne uns gerne als „Einsteigermodell für Feminismus“. Ich weiß zum Beispiel, dass wir von Lehrpersonen an Schulen als niederschwelliges Beispiel verwendet werden, um Diskussionen zu Rollenbildern und Geschlechtererwartungen anzuregen.
A.: Ich glaube, es funktioniert sehr stark über die Spiegelwirkung: Wir spiegeln etwas, das es sowieso schon gibt. Dadurch entsteht die Möglichkeit zur Reflexion auf mehreren Ebenen.
Wie haben die Fearleaders euch selbst beeinflusst?
R.: Die Fearleaders sind nicht als Vorzeigemodell gegründet worden, es gibt bei uns sicher auch einiges, das vielleicht sogar als „toxische Männlichkeit“ bezeichnet werden kann. Ich schätze an den Fearleaders aber sehr, dass wir gemeinsam darüber diskutieren, was wir besser machen können. Und als Mitglied habe ich stark davon profitiert in meiner Auseinandersetzung mit dem Thema Männlichkeit und wie ich persönlich Männlichkeit leben will.
A.: Bei vielen von uns hat die eigene Vaterschaft eine neue Auseinandersetzung mit dem Thema Männlichkeit angestoßen. Wir reflektieren, was für Männlichkeitsbilder wir an unsere Kinder bzw. an diese nächste Generation weitergeben wollen.
Für wen möchtet ihr als Fearleaders Vorbild sein?
A.: Wir möchten Themen zu Sexismus, Feminismus oder Männlichkeit möglichst niederschwellig aufgreifen, damit Männer – es betrifft ja nicht nur Männer, es betrifft die Gesellschaft als Ganzes – einen leichten, aber dennoch konkreten Zugang finden können. In dem Sinne hoffe ich, dass wir Vorbild für ein möglichst breites Publikum sind. In unserem diesjährigen Kalender „Reframing Masculinity“ haben wir uns mit unseren eigenen Vorbildern auseinandergesetzt und darüber nachgedacht, mit welchen Männlichkeitsbildern wir in unserer Kindheit konfrontiert worden sind. Wenn man so einen Rückblick wagt, kommt einem mitunter das Schaudern. Es ist also wichtig, darüber nachzudenken, welche Formen von Männlichkeiten und welche Vorbilder den nächsten Generationen offenstehen. Es gilt, neue Blicke auf Männlichkeit zu ermöglichen, die sich von klassischen Attributen wie Stärke und Aggressivität verabschieden.
R.: Traditionell kommen viele von uns aus dem Sportstudium. Für angehende Turnlehrer ist der Zugang zu Männlichkeiten im Sport, den wir bei den Fearleaders leben, einer, den sie auch in den Schulbetrieb mitnehmen können. Inzwischen ist auch ein ehemaliger Schüler eines Fearleaders bei uns dabei.
Reframing Masculinity – wie kann das gelingen?
A.: Wir haben uns ein völlig blödsinniges System geschaffen, eine Mischung aus Kapitalismus und Patriarchat, in dem wir nun unsere Kinder großziehen sollen. Wir müssen dieses ganze System von Grund auf neu denken. Da liegen so viele Dinge im Argen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Natürlich können wir als Fearleaders das Patriarchat nicht abschaffen oder den Kapitalismus zerstören, aber wir können zumindest drüber reden, dass es nicht cool ist.
Wer Lust auf den Fearleaders-Kalender für 2024 bekommen hat:
www.fearleadersvienna.com. Das nächste Heimspiel des Vienna Roller Derby findet am 16.3.2024 statt.