Ein rot-weißes Logo mit dem Schriftzug „Unser Heer“ ist zu sehen, bevor die Kamera auf einen sechzigjährigen Mann in Offiziersuniform schwenkt. Erst Pokerface, dann strenger Blick. Gesprochen wird ruhig, aber bestimmt. „Bundesministerium Landesverteidigung“ ist im Hintergrund zu lesen, darunter prangt die Österreichfahne. Das war der Rahmen einer Pressekonferenz, die Generalmajor Rudolf Striedinger vor einem Jahr zur österreichischen Strategie der Massentestung abhielt.
Dieser Generalmajor – stets deutlich erkennbar an Militäruniform oder sogar Tarnanzug – steht mittlerweile gemeinsam mit der Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, an der Spitze von GECKO – der „Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination“, die angesichts der neuen Herausforderungen durch die Omikron-Variante von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Das österreichische Bundesheer bekommt somit eine noch größere Rolle in der Covid-Krisenbekämpfung, als es durch seinen Einsatz zur Sicherung kritischer Infrastruktur ohnehin schon hatte. Die öffentlichen Auftritte des Generalmajors werden mehr und lassen keinen Zweifel aufkommen an der von ihm und Bundeskanzler Karl Nehammer verkündeten Botschaft: Österreich befindet sich „im Krieg“ gegen das Coronavirus. Unser Alltag wird zum „Leben in der Lage“, so der militärische Ausdruck, den der Bundeskanzler wohl nicht zufällig verwendet.
Und solche Krisenzeiten verlangen nach „starken“ Führungspersönlichkeiten – an dieser Erzählung wird schon seit Beginn der Covid-19-Pandemie gesponnen. Während Staaten wie Neuseeland auf deeskalierenden Dialog und Empathie setzten, traten in Österreich stets „starke Männer“ vor die Kamera. Es galt der österreichischen Bevölkerung zu vermitteln, dass die Regierung die Lage unter Kontrolle hätte. Ex-Kanzler Sebastian Kurz performte dafür eine Manager-Männlichkeit, die auf wirtschaftlichen Idealen wie Effizienz und Selbstverantwortlichkeit aufbaut: effizient, rational, ernst, zielorientiert. Aalglatt. Das Krisenmanagement sei erfolgreich und könne durch das strikte Einhalten eines Kosten-Nutzen-Paradigmas die österreichische Wirtschaft und somit die gesamte Gesellschaft retten.
Mit Generalmajor Striedinger erfolgte nun ein Bruch, nicht nur bei der Krisenbewältigungsstrategie, sondern auch bezüglich der Repräsentation einer „starken Führungsperson“. Die Männlichkeit, die Striedinger – und zu einem gewissen Anteil auch der neue Bundeskanzler Nehammer – verkörpert, lässt sich nur als kriegerisch beschreiben. Omikron könnte die politische Ordnung gefährden, weshalb auf ein Ideal von Stärke, auf soldatische Tugenden zurückgegriffen wird: attackieren, zurückschlagen, den gemeinsamen Feind bekämpfen. „Impfen ist die strategische Waffe gegen das Virus. (…) Hier ist nicht Gewaltfreiheit angesagt“, so Striedinger bei einer Pressekonferenz.
Dass die sozialdarwinistische Idee der Durchseuchung als Krisenlösung nun ebenfalls wieder stärker diskutiert wird, scheint nur auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein – denn auch die Vorstellung, dass nur die „Stärkeren“ überleben, ist Teil von militärischer Männlichkeit. Sozialdarwinistische Argumente schwangen auch unter Kanzler Kurz immer mit, doch im militärischen Abwehrkampf gegen das Virus treten sie deutlicher zutage. Die (symbolische) Waffengewalt gegen Sars-CoV-2 mag dabei auch als Strategie dienen, die Versäumnisse der vergangenen Monate zu überdecken: eine empathische Politik, die den Schutz der Gesundheit ebenso ins Zentrum stellt wie soziale Sicherheit und Zusammenhalt. Während häusliche Gewalt steigt und viele Frauen, die den Großteil der Care-Arbeit stemmen, sich am Rande ihrer Kräfte befinden, hat die Regierung Frauenpolitik schlicht aufs Abstellgleis verschoben. Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen steigen massiv, gesellschaftliche Ungleichheiten verschärfen sich. Herausforderungen, für die die Regierung dringend Strategien erarbeiten muss. Denn während wir Krieg gegen das Virus spielen, könnte ein großer Teil der Bevölkerung auf der Strecke bleiben. •