„Johnny Depp gewinnt Verleumdungsprozess gegen Ex-Frau Amber Heard“, titelte der „Standard“ Anfang Juni. Genau genommen sprachen die Geschworenen beide Parteien wegen Verleumdung schuldig, dennoch ist Johnny Depp klarer Gewinner der Gerichtsverhandlungen. Nicht nur, dass er seiner Ex-Frau Amber Heard eine sehr viel kleinere Summe an Schadenersatz zahlen muss, die gesamte Berichterstattung rund um den Prozess geriet zu einer Verhöhnung der #MeToo-Bewegung. Der Prozess mit seinem verheerenden Urteil wäre alleine schon ekelhaft genug, aber die verletzten weißen männlichen Egos, die verängstigten und vom Untergang des Abendlandes bedrohten Männlichkeiten schlafen nicht, die Männerrechtler und die wütenden Bürger*innen, sie alle nutzen die patriarchale Gunst der Stunde und verschafften dem in Indien entstandenen #MenToo Aufwind im Netz. Vor allem auf Twitter trendet der Hashtag gegen „falsche Anschuldigungen der sexuellen Belästigung“. Kommentare, die sich mit der „Entdeckung, dass Frauen auch böse sein können“ beschäftigen, Feminismus als Instrument zur Unterdrückung von Männern verteufeln und „Gleichberechtigung“ fordern, erhalten mehrere Hundert Likes. Die alte Forderung vom rechten Rand genauso wie von Teilen der bürgerlichen Mitte ist auf einmal wieder brandaktuell: dass der ungerechte Feminismus, der Männer ja so benachteiligen würde, nun, wo ohnehin alle bereits gleichgestellt seien, doch lieber ein Humanismus sein sollte.
Das Urteil zeigt einerseits auf, dass staatliche Institutionen und Strukturen mitunter immer noch sehr gut basierend auf maskulinistischen Solidaritäten funktionieren und dass Geld und Ruhm auch immer noch eine Rolle in Gerichtsprozessen spielen können. Wer weiß, ob die Verhandlungen in den USA anders ausgegangen wären, wenn nicht ein schreiender Mob vor dem Gerichtsgebäude Johnny zugejubelt hätte? Dadurch wird andererseits umso ersichtlicher, dass #MeToo nicht nur eine vorübergehende Bewegung war, die einmal alle aufrüttelte und nun wieder vergessen werden kann. #MeToo markierte einen Beginn, von dem an auch in einer breiteren Öffentlichkeit über patriarchale Strukturen und Gewalt gesprochen wurde und leitete erste Transformationen dieser Strukturen in die Wege. Diese Transformationen müssen sowohl verteidigt als auch weiter vorangetrieben werden. Denn das neoliberale cishet Patriarchat fühlt sich davon in seiner Vorherrschaft bedroht und bäumt sich ein letztes Mal gegen seinen bevorstehenden Untergang auf, so manchen feministischen Lesarten des erstarkenden antifeministischen Backlash zufolge. Der antifeministische Schulterschluss von autoritären, rechten und konservativen Männlichkeiten, der sich im Erstarken von antifeministischen und sexistischen Diskursen und dem Anstieg an Gewalt gegen FLINTA* sowie auch am Beispiel von #MenToo zeigt, sei ein Zeichen dafür, dass die Fundamente des Patriarchats langsam bröckeln. Weshalb dieses umso gewaltbereiter und militanter auf allen Ebenen zurückschlägt. Dass beispielsweise die rechtsextreme Gruppe der Identitären sich mit christlichen Fundamentalist*innen verbündete und in Wien in der Pride-Woche mehrere Aktionen durchführte, um Queers anzugreifen und zu degradieren, ließe sich so lesen: Sie fühlen sich bedroht, also bilden sie umfassendere Allianzen und gehen auf Angriff.
Ich sehe diese Entwicklungen leider nicht ganz so optimistisch. Historisch betrachtet wurden Revolutionen (fast) immer von Gegenrevolutionen begleitet, die den bisherigen Status quo sichern oder wiederherstellen wollten – vielen davon ist das auch gelungen. Wenn wir eine feministische Revolution nachhaltig gestalten wollten, dürfen wir nicht aufhören weiterzukämpfen, egal, wie frustrierend oder schmerzhaft oder zum Kotzen die Umstände gerade sind. Also, an die Johnny Depps dieser Welt: Ihr habt vielleicht diesen Prozess gewonnen, aber die Rebellion ist noch lange nicht vorbei. •