Die Allianz „Wege aus der Krise” wollte die Budgetrede des Finanzministers nicht abwarten und hat ihr eigenes Budget präsentiert. Darin stehen die Zeichen auf Umverteilung: Besteuerung des Überflusses und Investitionen in Zukunftssektoren. Von GABI HORAK
Eigentlich hätte es ÖVP-Finanzminister Josef Pröll sein sollen, der am 18. Oktober seine Budgetrede hält. Bekanntlich hat sich die Regierung aber mit dem Budget für 2011 Zeit gelassen (was taktische Gründe hatte – warten auf die Wahlen in der Steiermark und in Wien – und überdies auch noch verfassungswidrig ist). Stattdessen hat an diesem Tag eine Allianz von NGOs und Gewerkschaften (darunter die Armutskonferenz, Attac, Global 2000, Katholische ArbeitnehmerInnen-Bewegung, ÖH, SOS Mitmensch, PRO-GE und vida) unter dem Titel „Wege aus der Krise” eine „zivilgesellschaftliche Budgetrede” gehalten und das „Zukunftsbudget” vorgestellt.
Darin plädieren die Expert_innen für einen Paradigmenwechsel, der zwar in manchen SPÖ-Kreisen schon angedacht wurde, aber in dieser Koalition wohl doch unmöglich war: Vermögen umfassend besteuern und in Soziales und Bildung investieren. „Jetzt bei Sozialem, Pflege oder Bildung zu sparen, ist weder notwendig noch konjunkturell sinnvoll, sondern bedeutet, noch mehr Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut zu stürzen”, so die Vertreter_innen des „Zukunftsbudgets” in ihrer Aussendung. Sie wollen beweisen, dass Budgetkonsolidierung und Zukunftsinvestitionen kein Widerspruch sind.
Die oberen zehn Prozent. Eines ist klar: Ohne Strukturreform in der Verwaltung, beim Steuersystems etc. wird es auf lange Sicht nicht gehen. Die wird aber in ein Budget 2011 noch nicht einfließen. Für das „Zukunftsbudget” 2011 braucht es Umverteilung und frisches Geld aus jenen Teilen der Gesellschaft, die genug davon haben. Derzeit besitzen in Österreich geschätzte zehn Prozent der Menschen über 60 Prozent des Vermögens. Der Plan der zivilgesellschaftlichen Allianz sieht vor, eine Vermögenssteuer von rund einem Prozent einzuführen – und zwar mit einem Freibetrag von 500.000 Euro Nettovermögen pro Haushalt. Das bedeutet: das gesamte Geld- und Immobilienvermögen abzüglich laufender Kredite. Dabei sollen keine zusätzlichen Verwaltungskosten anfallen, da Steuerpflichtige wie bei anderen Steuern selbst eine Steuererklärung abgeben. Das Finanzamt prüft nur auf Basis von Stichproben.
Umverteilung und Vermögensbesteuerung haben eine starke geschlechtsspezifische Dimension, so Michaela Moser von der Armutskonferenz: „Die oberen zehn Prozent mit den 60 Prozent Vermögensbesitz sind ziemlich wahrscheinlich mehrheitlich Männer. Da kommt die Umverteilung nach unten mehrheitlich Frauen zugute.”
Zusätzlich sieht das „Zukunftsbudget” neben anderen Maßnahmen eine Bankenabgabe vor. Genau wie im Budgetvorschlag der Regierung wird dadurch mit 500 Millionen Euro Mehreinnahmen gerechnet – einer der wenigen Punkte, in denen sich die zivilgesellschaftliche Allianz und die Regierung einig sind.
Ähnliches gilt für die Einführung einer Flugticketabgabe und die Erhöhung der Mineralölsteuer, wobei der Vorschlag im „Zukunftsbudget” hier viel moderater ausfällt: Nur der Preis für Diesel soll um vier Cent steigen. Die Regierung will um vier Cent bei Benzin und um fünf Cent bei Diesel erhöhen, was als wenig sozial treffsicher kritisiert wurde.
Insgesamt sieht das „Zukunftsbudget” somit zusätzliche Einnahmen von 3,5 Milliarden Euro vor, mit denen „problemlos” die nach Vorgaben der EU notwendige Budgetkonsolidierung für 2011 finanzierbar sei – und darüber hinaus noch Geld für Investitionen übrig bleibe.
Frauenrelevante Baustellen. „Wer jetzt am Sozialen spart, vertieft die schon viel zu große Kluft zwischen Arm und Reich in diesem Land weiter. Wer jetzt am Sozialen spart, setzt den sozialen Frieden aufs Spiel”, plädierte Judith Pühringer von der Armutskonferenz in ihrem Teil der „zivilgesellschaftlichen Budgetrede”. Während die Sparpläne der Regierung massive Einschnitte etwa für Familien und Bildung vorsehen, wird im „Zukunftsbudget” der gegenläufige Weg eingeschlagen: Knapp 73 Milliarden Euro – aus zusätzlichen Einnahmen und Umverteilung – sollen investiert werden.
Frauenpolitisch relevant ist das meiste davon. Das fängt an beim Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, die häufiger von Frauen genutzt werden. Auch Investitionen in Bildung sind Investitionen in Zukunftschancen von Frauen. Dabei soll nicht nur die Betreuung für 0–6-Jährige ausgebaut und verbessert, sondern auch die Gesamtschule für 6–14-Jährige umgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, prekäre Dienstverhältnisse an den Universitäten – auch hier sind mehrheitlich Frauen betroffen – in Planstellen umzuwandeln.
Die nächste große Baustelle ist der Bereich der Pflege. Das „Zukunftsbudget” sieht eine Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive vor, die Arbeitsplätze in der stark frauendominierten Pflege besser bezahlt und attraktiver gestalten soll. Mobile Pflege soll massiv ausgebaut und aufgewertet werden, denn das bestehende System fördere Schwarzarbeit und die Betreuung durch Familienmitglieder, zumeist Frauen. Zudem soll das Pflegegeld erhöht werden – im Gegenteil zum Vorhaben der Regierung, die den Zugang zum Pflegegeld sogar noch erschweren möchte.
Auch Betreuungs- und Gewaltschutzeinrichtungen sollen mehr Geld bekommen. Allein 300 Millionen Euro braucht es, um die „gröbsten Mängel der Mindestsicherung auszugleichen”. Und nicht zuletzt sind Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit vorgesehen. Ein zentraler Punkt der zivilgesellschaftlichen Arbeitsmarktpolitik: eine Verkürzung der Arbeitszeit. Dies würde auch die faire Verteilung von Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern erleichtern. „Arbeitslosigkeit ist die dümmste Form der Arbeitszeitverkürzung”, so Judith Pühringer.
Überfluss besteuern. Für die Vertreter_innen und Expert_innen der Allianz „Wege aus der Krise” ist klar:„Einsparungen im Familienbereich und in Bildung müssten nicht sein, wenn Vermögen konsequenter besteuert würden”, sagt Michaela Moser. Und auch die Bevölkerung scheint die Besteuerung von Vermögen zu befürworten, zumindest taten dies 72 Prozent der Befragten einer Karmasin-Umfrage.
Doch die Kritiker_innen einer Vermögenssteuer bilden eine breite Front, von der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) bis zur WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller. Letztere meinte in einem Interview in den „Oberösterreichischen Nachrichten”, dass sie Schwierigkeiten mit der Kontrolle und Umsetzung einer Vermögenssteuer sehe: „Das Problem ist, dass aufgrund des Bankgeheimnisses so gut wie niemand sein exaktes Vermögen bekannt geben wird.” (www.nachrichten.at, 17.9.2010) Sie plädiert stattdessen für eine rasche und umfassende Steuerreform.
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die „Reichensteuer”: Sie sei standortschädigend. Denn Vermögende würden aus Österreich vertrieben, zumal es innerhalb der EU nur mehr in Frankreich eine klassische Vermögenssteuer gäbe – überall anders wurde sie bereits abgeschafft. Ein Factsheet der Allianz „Wege aus der Krise” berichtet hingegen anderes: Ein großer Teil der Vermögen in Österreich sei unbeweglich (z.B. Immobilien) und nur mit erheblichem Aufwand ins Ausland zu übersiedeln. Außerdem ist die Besteuerung von Vermögen in den Industrieländern nur in Tschechien noch niedriger als in Österreich.
Auch zum Thema Vermögenssteuer ist also wohl viel Arbeit am Detail nötig, damit sie möglich und sinnvoll ist. Doch selbst die Regierung hat mittlerweile eingesehen, dass Sparen bei Familien und Bildung nicht der richtige Weg sein kann, und hat einige geplante Maßnahmen bereits wieder relativiert. Ein „Zukunftsbudget” wird aus dem Regierungsbudget aber wohl keines mehr.
Das zivilgesellschaftliche Budget zum Download sowie viele andere nützliche Hintergrundinformationen unter www.wege-aus-der-krise.at