Ich wollte ganz früh schon Musikerin werden. Ich habe dafür viel geübt, gelernt, geprobt, bin schon als Sechsjährige auf der Bühne gestanden, habe mit zehn Jahren erstes Geld mit Live-Auftritten verdient und mit 14 meine ersten Songs geschrieben. Ich wurde gewarnt, dass es schwer sei, sein Auskommen als Musikerin zu finden, war aber topmotiviert, das Gegenteil zu beweisen.
Ich habe mir das Musiker_innenleben so vorgestellt, dass ich tagsüber lustige Proben mit Freund_innen hab, abends Konzerte mit jubelnden Fans, danach Party bis zum Umfallen. Gar nicht mal so weit entfernt von der Realität, doch gibt es da noch so einige Aspekte, vor denen mich niemand gewarnt hat:
Die allermeiste Zeit verbringe ich in Minivans, Bussen, Flugzeugen. Das Unterwegssein ist meistens fad, mitunter sehr unglamourös, oft unbequem, und nimmt tatsächlich sehr viel Lebenszeit in Anspruch. Dann kommt das Warten – warten auf den Soundcheck, aufs Konzert, warten warten warten. Auf die Party verzichte ich mittlerweile oft, weil eine lange Fahrt nach zu wenig Schlaf und mit ordentlich Restalkohol die Hölle sein kann. (Ich habe es oft genug probiert.)
Mansplaining erlebe ich bei so gut wie jedem Konzert, aber da darf man sich jaaa nicht aufregen, denn das ist schlecht für die Stimmung. Dass ich mich bestens mit meinem Equipment auskenne, genau weiß, was den Elektrizitätsbrumm im Amp abschwächen oder verstärken und was garantiert nichts bringen wird, wird von männlichen* Technikern konsequent ignoriert.
Im Musikgeschäft wurde mir kürzlich auf eine sehr spezifische Frage zu einem bestimmten Synthesizer erklärt, dass ein Synthesizer nicht das Gleiche sei wie ein Klavier (HÄ???).
Was mir aber auch niemand gesagt hat, ist, dass bei langen Autofahrten oft wunderbare Gespräche entstehen, dass beim Warten viel Zeit zum Lesen ist, für die meisten meiner Bandkollegen mein Geschlecht keine Rolle spielt, und dass in seltenen Fällen dann doch mancher Mann kapiert, dass er sich seine gut gemeinten Tipps und Erklärungen in den Arsch schieben kann.
Judith Filimónova ist Bassistin, Songwriterin und Produzentin. Sie ist eine Hälfte des Pop-Duos „Fijuka“, tourt regelmäßig mit Bands wie „Bo Candy“, „Gin Ga“, „Kids N Cats“ und produziert momentan gemeinsam mit Mandy Mozart Techno als „Mandy + Judith“.