Man muss nicht für alles dankbar sein. Wenn JournalistInnen ein unterhaltsames Interview zu tausend Zeichen zurechtstutzen, die mich gleichermaßen fad und deppert dastehen lassen, bedanke ich mich nicht lieb für die Aufmerksamkeit. Wenn ein Blog nach Mailwechsel meinen Namen falsch schreibt, knickse ich nicht brav. Wenn ich für ein Publikum spielen darf, das beim Konzert nicht leise sein kann, macht es mir großen Spaß, schon zu Konzertbeginn Leute zum Gehen aufzufordern. Pscht!
Erstaunlich viele merken nicht, dass die Person auf der Bühne den Inhalt ihrer wichtigen Konversation genauso gut hören kann wie die Reihe hinter ihnen. Nein, ich glaub nicht, dass der Erwin der Babsi die Miete für den Dezember schon überwiesen hat. Ja, vielleicht solltet ihr beide Franzi simsen wegen einem Bier später im Rhiz. Nein, dein Rock hängt nicht im Strumpfhosenbund fest, schaut okay aus, aber dreh dich vielleicht doch nochmal kurz mit dem Popsch zur Bühne um, dann kann ich das auch noch schnell auschecken zwischen dem zweiten Vers und dem Refrain.
Reaktionen auf mein autoritäres Durchgreifen von der Bühne aus höre ich manchmal am Ende des Abends. Einmal hat sich jemand dafür entschuldigt, dass er so laut war. Diverse Kerle kommentierten es mit einem „Oida, du bist urstreng“, schwer zu beurteilen, ob es nur angenervt war oder Ehrfurcht mitschwang, die ich natürlich gerne heraushöre.
Manche behaupten, bei mir käme durch, dass ich mit einer Mutter aufwuchs, die seit vierzig Jahren verhaltenskreativen Teenagern das englische Past Tense beibringt. Da muss man auch schauen, dass einem zugehört wird. Letzte Reihe, Klappe halten, zweite Reihe grüner Schal, leise sein oder raus auf den Gang. Vierte Reihe Mitte, zur Direktorin! Du da hinten, rempel die Reihe davor nicht mit deinem Bier an! Nachsitzen! Extra Hausübung! Zehn Runden um den Turnsaal laufen! Ich bin mir sicher, meine Mutter macht das eleganter. Aber ich muss ja auch niemandem etwas beibringen. Ich will ja nur, dass alle mal für eine Stunde leise sind. Pscht. Danke.
Anna Kohlweis ist sehr dankbar, dass das Publikum bei den meisten Squalloscope-Konzerten ziemlich wunderbar ist.