Ich wohne temporär in meinem alten Kinderzimmer in Klagenfurt. Das „temporär“ in diesem Satz ist wichtig, das darf ich nicht vergessen. Ich geh’ bald wieder. Ehrenwort. Ist ja auch schlecht fürs Image, einerseits dauernd von überall wegwollen und dann zwischen der Bullerbü-Gesamtausgabe und Skikursfotoalben sitzen, Vaters Rotwein schlürfen und blöd schaun. Hier hängt ein Foto vom fünfjährigen Ich, die Kinderarme um meinen kleinen Bruder gelegt, und ich schwöre, ich spüre die Kulleraugen überall im Raum im Rücken.
– „Du, Anna …“, sagt die kleine Anna.
– „Was?“
– „Du, wo ist der Hund?“
– „Welcher Hund?“
– „Wollten wir nicht mit zwanzig spätestens einen Husky haben? Oder einen Spaniel. Oderoder … einen Terrier vielleicht.“
– „Du, wir haben keinen Hund. Wir haben Allergien.“
Seit einer Woche nehme ich im Zimmer meines Bruders ein neues Album auf. Mittlerweile schlägt mir niemand mehr vor, ein Studio zu mieten. Vielleicht hat es sich rumgesprochen, dass ich bei meiner Arbeitsweise nicht weiß, was ich dort tun sollte. Manchmal muss ich hier zwischen Bett und Bücherregal das Mikrofon abdrehen, weil sich neben dem Knarren des Bodens noch ein „Anna! Geschirrspüler ausräumen!“ auf die Aufnahme schwindelt. FreundInnen sagen, ich sollte das einbauen. Das ist mir dann aber bei aller Liebe zum Homerecording doch zu viel. Wenn ich schon physisch nicht wieder abhauen kann, dann zumindest musikalisch. War doch die Musik immer in erster Linie dazu da, nirgends hinzugehören. Immer balancierend zwischen einem „Yeah, wir!“ und einem „Ich-will-nichtsmit-euch-zu-tun-haben“, zwischen einem bewussten Befassen mit der Unmöglichkeit der Welt und unterbewusstem Eskapismus. Gestern habe ich mir spontan einen gepackten Koffer tätowieren lassen, weil ich meine Koffer schon zu lang nicht mehr gepackt habe. Ich hab kurz darüber nachgedacht, wie das alles damit zusammenhängt, dass ich mit der Welt momentan einfach nicht umgehen kann. Ich weiß es nicht. Aber wenn mir das Leben schon keine Hunde und keinen Weltfrieden gibt, ist das Sachen-Machen zumindest noch da. Und ich mach einfach mal.
Anna Kohlweis ist Squalloscope und ist müde, aber hoch motiviert.
1 Kommentar zu „bonustrack: Hundemusik“
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