Burn, elendiges Faschingskostüm, burn! Ein Kommentar von VINA YUN
Als Kind war ich im Fasching am liebsten ein knallroter Fliegenpilz. Meine Altersgenoss_innen verkleideten sich gerne als Prinzessin oder Pirat (schöne heile Genderwelt). Ebenfalls populär (und völlig normal): der „Chinese“. Den Rest des Jahres kam ein „asiatisches“ Äußeres nicht immer so gut an. „Schlitzauge“, „Ratte“ und „Reisfresser“ waren die häufigsten rassistischen Beleidigungen, die ich zu hören bekam, sieht man von einem bekannten Spottreim ab, der mir des öfteren nachgeworfen wurde. Vor allem meine Augen hatten es den anderen angetan: Ob ich denn mit den Dingern überhaupt richtig sehen könne?
Ich kann gar nicht aufzählen, wie oft sich weiße Österreicher_innen bemüßigt fühlten, meine Erscheinung zu beschreiben: mein „flaches Mondgesicht“, meine „olivfarbene Haut“, meine „glatten asiatischen Haare“, meine „zierliche Statur“, die sich offenbar irgendwo unter meinen Extra-Pfunden versteckte. Als ich älter wurde, wurden aus den suspekten „Schlitzen“ des öfteren exotische „Mandelaugen“. Schon gehört? „Schlitz-“ und „Mandelaugen“ gibt es nicht – sie existieren allein im Auge des_der weißen Betrachtenden.
„In weißen Gesellschaften gilt: Menschen, die ihre Augen zu ,Schlitzen‘ verziehen, sind hinterhältig“, zitiert ein Artikel in „Die Zeit“ den Berliner Kulturwissenschaftler Kien Nghi Ha. Er und weitere antirassistische Aktivist_innen unterzeichneten im Februar 2014 einen offenen Brief mit dem Titel „Wir sind keine Schlitzaugen!“, der gegen ein ausgestelltes Bild im Berliner Theaterhaus Heimathafen Neukölln protestierte. Auf jenem Foto war eine weiße blonde Frau in einer fernöstlich anmutenden Parkanlage zu sehen, die ihre Augen mit den Fingern grinsend zu „Schlitzen“ hochzog. Nachdem sich die Beschwerden gehäuft hatten, wurde das Bild abgehängt, und erst nach mehreren Anläufen konnte sich die verantwortliche künstlerische Leiterin dazu durchringen, sich öffentlich zu entschuldigen. (1)
Ein Aspekt in der Kritik am „Yellowfacing“ sticht für mich besonders hervor: Wiederholt wird, wie auch schon der Begriff andeutet, eine Parallele zur rassistischen Praxis des Blackfacing gezogen. So heißt es etwa im besagten Protestbrief: „Das Bild vermittelt die Macht, als überlegen fühlende Weiße in Blackfacing-Manier sich über ‚asiatisch‘ Aussehende lustig zu machen und dabei ihr Gesicht zu einer Grimasse zu deformieren. Sowohl die zynische Karikatur (ost)asiatischer Menschen als hinterhältige Untermenschen als auch der Mythos der ,Schlitzaugen‘ als typisch ostasiatische Attribute verfügen über eine jahrhundertalte kolonial-rassistische Tradierung.“
Tatsächlich hat Yellowface ebenso wie Blackface eine lange Geschichte in der „westlichen“ Welt: von der Aufführung von Arthur Murphys Bühnenstück „The Orphan of China“ 1767 über die oscarprämierte Darstellung der O-Lan durch Luise Rainer im Hollywood-Film „The Good Earth“ (1937) bis hin zur fiktiven Figur der dusseligen Ushi Hirosaki, die im niederländischen Fernsehen ihr Unwesen treibt und 2013 gar einen eigenen Kinofilm herausbrachte. Doch lassen sich Yellow- und Blackface tatsächlich einfach ohne weiteres miteinander vergleichen?
Wohl trifft es zu, dass beide als rassistische Darstellungstraditionen einzuordnen sind, die der Belustigung eines weißen Publikums und daher der Reproduzierung von white supremacy dienen. Doch Yellowface mit Blackface gleichzusetzen würde bedeuten, wesentliche Unterschiede zu nivellieren – wie etwa die Einbettung von Blackface in den historischen Kontext der Sklaverei oder die divergierenden Zuschreibungen an Schwarze bzw. „asiatische“ Männlichkeiten und Weiblichkeiten.
Unglücklicherweise leisten vor allem asian-american Aktivist_innen einem zweifelhaften Konkurrenzverhältnis Vorschub: Yellowface sei bis heute weitgehend akzeptiert und kaum aufgearbeitet, während sich bei Blackface ein antirassistischer Konsens durchgesetzt hätte (was natürlich Bullshit ist).
Um den weißen Blick zu dezentrieren, braucht es jedoch solidarische und verbündete Positionen, keinen Wettbewerb der Unterdrückten. Burn, elendiges Faschingskostüm, burn!
(1) Eine detaillierte Zusammenfassung der Ereignisse findet sich auf korientation.de: http://bit.ly/1t0nbpS