Ein Kommentar von LEONIE KAPFER
Der deutsche Justizminister Heiko Maas sprach sich Mitte April gegen sexistische Werbung aus. Dem „Spiegel“ gegenüber äußerte Maas den Plan, „geschlechterdiskriminierende Werbung in Deutschland unterbinden“ zu wollen. Diese vagen Aussagen waren in den letzten Wochen Grund genug, Deutschlands Politiklandschaft und die Mainstream-Medien in Weltuntergangsstimmung zu versetzen. „Welt Online“ erkannte „eine weitere Geste der kulturellen Unterwerfung“. FDP-Chef Christian Lindner unterstellte Maas „eine Spießigkeit, die kaum zu überbieten ist“. Auch die „Zeit“ witterte „staatlich verordnete Verklemmtheit“.
Doch ganz von vorne: In Deutschland wurde kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Werbung für Tabakprodukte verbietet. Im Zuge dieser Debatte äußerte Maas, er würde es befürworten, dieses Gesetz auf sexistische Werbekampagnen auszuweiten. Mit seinem Gesetzesvorschlag wolle er ein „modernes Frauenbild“ etablieren. Dabei bezog er sich auch auf die Kölner Silvesternacht und damit auf sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum. Mit diesem Verweis begab sich Maas natürlich in eine Löwengrube, denn welche Konsequenzen generell auf sexuelle Übergriffe folgen müssen, bleibt trotz größter gesellschaftlicher Empörung über die Kölner Vorfälle angesichts der Debatte um die Verschärfung des Sexualstrafrechts in Deutschlands fraglich.
Auch Maas selbst zeigt sich hier wenig progressiv. Geht es nach ihm, soll auch in Zukunft ein Nein nicht genügen, um Unwillen auszudrücken. „Sozialübliche Verhaltensweisen zu Beginn einer Beziehung könnten kriminalisiert werden“, ist aus einer Stellungnahme des Justizministeriums im Bezug auf die Debatte zu vernehmen. Er meint also wohl: Es sei durchaus „sozialüblich“, dass Frauen Nein sagen, ohne es wirklich zu meinen!
Dennoch stellt sich natürlich die Frage, ob ein Verbot sexistischer Werbung sexualisierte Gewalt tatsächlich verhindern kann. Auch wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem Plakat und einem Übergriff gibt, bestätigen zahlreiche Studien, dass über Werbung aktiv Geschlechterstereotype verfestigt werden, und dass sich Frauen durch sexistische Werbung im öffentlichen Raum weniger aufgrund ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten und mehr über ihr Aussehen wahrgenommen fühlen. Reklame, die dauergrinsende, gephotoshopte und sexualisierte Frauen auf Plakatwänden zeigt, ist folglich keine adäquate Methode, um Weiblichkeit mit Selbstbestimmung zu verbinden und ein positives Frauenbild zu vermitteln. Wer Frausein auf Brüste, Ärsche und sexuelle Verfügbarkeit reduziert, bedient sich alter patriarchaler Strategien, um Frauen als das Andere, Sexuelle und Dinghafte festzuschreiben. Wer für Werbezwecke als Deko fungiert, bleibe Objekt, stellt Kolumnistin Margarete Stokowski auf „Spiegel online“ treffend fest.
Kritiker_innen hingegen sehen durch das mögliche Verbot die Freizügigkeit und Offenheit der westlichen Kultur in Gefahr. An diesem vermeintlichen Schutz „unserer Werte“ zeigt sich die ganze Absurdität der derzeitigen Debatte, denn das Verständnis von Nacktheit, das hier hochgehalten wird, ist ein klinisch-steriles. Werbung zeigt keine realen nackten Frauen, sondern quasi „gesellschaftlich verordnete Verklemmtheit“. Wir sehen Bilder von fetischisierten Körpern ohne Fettpolster, Brustwarzen oder Vulva. Haare gibt es nur in Form langer Mähnen, nicht aber an Beinen oder in Achseln. Eine Tampon-Werbung, die Vagina und Menstruationsblut zeigt, gibt es genauso wenig wie eine Werbung für Kondome mit Penis, obwohl hier nackte Körperteile ausnahmsweise sehr sinnvoll wären. Statt echter Nacktheit offenbart Werbung also einen reinen Fetisch.
Auf diesen Fetisch und damit auf geschlechterdiskriminierende Werbung zu verzichten, ist daher nicht „spießig“, sondern es würde ermöglichen, endlich Körper zu zeigen, die weniger normiert in der Gegend herumhängen.
Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek könnte sich eine ähnliche Regelung für Österreich vorstellen. Wir können uns daher auch hierzulande auf das Aufbäumen des sexistischen Establishments gefasst machen.