Ein Kommentar von BRIGITTE THEIßL
Frauen arbeiten in Österreich Teilzeit – mit steigender Tendenz: Die Teilzeitquote ist von 26 Prozent im Jahr 1994 bis 2016 auf 48 Prozent gestiegen, meldete jüngst die Austria Presse Agentur. Der gleichzeitige Anstieg der Frauenerwerbsquote auf mittlerweile rund 71 Prozent ist also nur ein halber Erfolg, denn auf viele Frauen wartet im Alter eine Mindestpension oder die Abhängigkeit vom Partner. 2016 sind wir also noch immer weit von einer zentralen Forderung der Frauenbewegungen entfernt: ein selbstbestimmtes und (ökonomisch) unabhängiges Leben zu führen. Das unsichtbare soziale Sicherheitsnetz in Österreich heißt nach wie vor Hetero-Partnerschaft, einige wenige versorgt die unversteuerte Erbschaft. Die Pensionistin, die ihr Leben lang nur Zuverdienerin war und sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmerte, ist ebenso abhängig vom Einkommen ihres Lebensgefährten wie die junge Akademikerin, die sich mit prekären Jobs herumschlägt, während ihr Partner mit einer soliden Festanstellung den Lebensunterhalt sichert. Lesben bzw. Frauen, die in einer Partnerschaft mit einer Frau leben, trifft dieses ungeschriebene Gesetz somit besonders hart.
Die (Frauen-)Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten hierfür kein Rezept gefunden – oder erst gar nicht danach gesucht. Ob geschlechterspezifische Lohnschere, die überdurchschnittlich hohe Armutsgefährdung von Alleinerzieherinnen und Pensionistinnen, die Geringschätzung von „weiblichen“ Branchen am Arbeitsmarkt oder die steigende Teilzeitquote – all das sind keine neuen Phänomene. Tiefgreifende Reformen hat es mit wenigen Ausnahmen jedoch zuletzt in den 1970er-Jahren gegeben, als die Regierung Kreisky die Geschlechterverhältnisse neu ordnete. Die SPÖ „sah in der frauenbewegten Generation der 1970er-Jahre ein Wählerinnenpotential, das sie gewinnen und an sich binden wollte, unter anderem durch Fristenregelung und Familienrechtsreform“, schreiben die Historikerinnen Johanna Gehmacher und Maria Mesner.
Über vierzig Jahre später besetzt die sozialdemokratische Partei das Feld der Frauenpolitik zwar nach wie vor – Gabriele Heinisch-Hosek war zuletzt acht Jahre lang Frauenministerin –, die Reformpolitik hat sich jedoch in eine Kampagnenpolitik verwandelt und wird trotz verfassungsrechtlicher Verankerung der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Regierung hintangestellt. Für die Väterkarenz wurde ebenso geworben wie für die Vollzeitarbeit und gerechte Bezahlung, ein eigens programmierter Gehaltsrechner sollte dabei behilflich sein. Einzig beim Gewaltschutz wurden in Zusammenarbeit mit NGOs Gesetze konsequent weiterentwickelt. Bei der gerechten Verteilung der Reproduktionsarbeit hofft man im katholisch-konservativen Österreich hingegen auf einen Sinneswandel der Bevölkerung. Die ÖVP pocht nach wie vor auf die sogenannte Wahlfreiheit, die es in einer erwerbsarbeitszentrierten Gesellschaft jedoch gar nicht geben kann. Trotz eines eigens von der ÖVP geschaffenen Familienministeriums blockieren die Konservativen das Projekt Ganztagsschule ebenso wie den bereits im Frauenvolksbegehren 1997 geforderten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Während die Forderungen des 1993 von Jörg Haider initiierten „Ausländervolksbegehrens“ längst gesellschaftlicher Mainstream sind, bleibt das mit 645.000 Unterschriften durchaus erfolgreiche Frauenvolksbegehren Utopie. Die Wirtschaftskrise und die vermehrten Fluchtbewegungen dienen aktuell zudem als willkommene Ausrede, Frauenpolitik weiter hintanzustellen – obwohl sie als Querschnittsmaterie sämtliche Politikfelder durchzieht. Eine ganz grundlegende Diskussion der Gestaltung von Erwerbsarbeit oder einer Grundsicherung findet allerdings nur mehr innerhalb zivilgesellschaftlicher Initiativen und NGOs und nicht mehr in der Politik statt. Sabine Oberhauser, die im Zuge der aktuellen Regierungsumbildung als Gesundheitsministerin nun das Frauenressort geerbt hat, verkündet indes im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“: „Es geht darum, Frauen insgesamt zu stärken, um Empowerment.“ Frauen müssten bei Jobangeboten „resch zusagen und dürften nicht zu lange zögern“. Na dann.