Von Lea Susemichel
Wir sind alle Antifa“ nennt sich eine aktuelle Kampagne der „Roten Hilfe“, die der Kriminalisierung von Antifaschismus entgegentreten will. Woran damit erinnert werden soll: Antifaschismus ist das Herz jeder Demokratie. Es bedeutet, für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und gegen Autoritarismus einzutreten.
Diese Erinnerung ist offenbar bitter nötig, schließlich wird der antifaschistische Nachkriegskonsens gerade vor unserer aller Augen demontiert. Obwohl der Kampf gegen den Faschismus in den USA bisher besonders identitätsstiftend und eng mit dem Nationalstolz verknüpft war – kein patriotischer US-Blockbuster ohne Nazischurken –, vollzieht sich die Demontage dort rasend schnell. Präsident Trump hat nicht nur die Antifa als terroristische Organisation eingestuft, sondern auch alle, die mit der „Antifa verbündet“ sind. Mit dieser so vagen wie weiten Definition kann nun potenziell jedes zivilgesellschaftliche Engagement, das sich gegen Neonazismus richtet, kriminalisiert werden.
„Die zweite Trump-Administration ist nicht dieselbe wie die erste: Sie ist viel offener faschistisch und autoritär und viel stärker darauf konzentriert, die Machtzentren der Opposition zu zerstören“, kommentiert der Historiker Mark Bray, der zur Geschichte des Antifaschismus forscht und an der Rutgers University lehrt. Mitte Oktober musste er nach Morddrohungen mit seiner Familie aus den USA nach Spanien fliehen. Die Todesdrohungen, die er erhalten hatte, waren das direkte Resultat einer Doxing-Kampagne von Turning Point USA, der Organisation des ermordeten Rechtsextremen Charlie Kirk. Es waren auch mehrheitlich Vertreter*innen von Turning Point, die im Oktober zu Trumps „Antifa-Roundtable“ ins Weiße Haus geladen wurden. Dabei wurde antifaschistischer Widerstand mit organisierter Kriminalität und Drogenkartellen gleichgesetzt, gegen die notfalls auch militärisch vorgegangen werden sollte.
Erschreckend ist auch der Antisemitismus, der seit der politischen Instrumentalisierung von Charlie Kirks Ermordung durch die MAGA-Bewegung völlig unverhohlen ist. So wird behauptet, der israelische Geheimdienst Mossad stecke hinter dem Mord an Kirk (andere halten freilich weiterhin daran fest, dass der internationale „Transterror“ verantwortlich zu machen sei), und es sei jüdisches Kapital, das die antifaschistische Linke finanziere. Die Heraufbeschwörung eines „inneren Feindes“ – dem die Antifa, Migrant:innen, die Woken, trans Menschen und im Zweifelsfall sogar Demokrat:innen zugerechnet werden – folgt dabei dem Lehrbuch autoritärer Machtergreifung, an der auch die ultra-rechtsliberale Tech-Broligarchie begeistert mitwirkt. Widerstand an sich wird kriminalisiert und Antifaschismus ist der neue Faschismus, den es zu bekämpfen gilt. Ein propagandistischer Wahnsinn, der in den vergangenen Jahren mit dem Kampf gegen „Wokeness“, die vermeintlich die wahre Bedrohung unserer Demokratie sei, gut vorbereitet wurde und dem leider auch von links nicht geschlossen entgegengetreten wurde. Es wäre nun an der Zeit.
Auch Ungarn stuft die Antifa per Dekret als terroristisch ein, der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hat ebenfalls einen entsprechenden Antrag eingebracht. Maja T. sitzt weiterhin in Isolationshaft in Ungarn, wohin die deutschen Behörden T. aufgrund des Vorwurfs eines Angriffs auf Rechtsextreme beim „Tag der Ehre“ in Budapest 2023 unzulässigerweise ausgeliefert haben. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 24 Jahre Haft.
Ein Kanzler Kickl, der auf dem letzten FPÖ-Parteitag die „dritte Republik“ und eine „Zeitwende,“ einen „großen Systemwechsel“ heraufbeschworen hat, wäre sicher ganz vorne mit dabei gewesen beim Antifa-Verbot. In Österreich haben die Angriffe auf Antifaschismus durch die FPÖ schließlich Tradition. Hierzulande wurde auch vorgemacht, wie so ein Anti-Terroreinsatz gegen Antifaschismus konkret aussehen kann, als im Sommer am Erinnerungs- und Gedenkort Peršmanhof, auf dem 1945 zwei Familien mit sieben Kindern von SS-Schergen ermordet wurden, eine Polizeirazzia mit Hundertschaft und Hubschrauber stattfand – wegen eines antifaschistischen Zeltlagers dort.
Der Einsatz wird nun zwar geprüft, geprüft wird aber auch, ob eine teilnehmende Person mit deutscher Staatsbürgerschaft aus Österreich ausgewiesen werden kann. Wir sind alle Antifa.