Ein Kommentar von BRIGITTE THEISSL
Elf Forderungen waren es, die Aktivistinnen 1997 im ersten Frauenvolksbegehren stellten und die im Wesentlichen auf eine Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und auf eine Grundsicherung abzielten: ein Mindesteinkommen, der Ausbau ganztägiger Betreuungseinrichtungen und eine Grundpension standen etwa auf der Liste der eingeforderten Maßnahmen. Mit rund 645.000 Unterschriften konnte das Frauenvolksbegehren zwar nur halb so viele Unterstützer*innen wie das zur selben Zeit stattfindende und von der „Kronen Zeitung“ gepushte Gentechnikvolksbegehren gewinnen, dennoch war es ein durchschlagender Erfolg für eine breite Frauenbewegung (mit prominenten Gesichtern in der ersten Reihe), die von Wien bis Vorarlberg mobil machte und in den Fußgängerzonen um jede Unterschrift kämpfte. Der realpolitische Erfolg ließ freilich auf sich warten: Nach zähen Verhandlungen blieb es bei leeren Versprechungen des damaligen Kanzlers Viktor Klima (SPÖ) und Widerstand aus dem rechtskonservativen Lager.
Die fehlenden Resultate einer in Österreich seit Jahrzehnten bloß rhetorischen Gleichstellungspolitik treten heute offen zutage und zeigen sich in einer immer noch klaffenden Lohnschere von rund 22 Prozent, einem noch größeren Gender Pension Gap und einer Teilzeitquote bei weiblichen Erwerbstätigen von fast fünfzig Prozent. Und ob nicht schon die Grundprämissen einer „Gleichstellungspolitik“, die Frauen einfach in das bestehende System integrieren will, ohne es zu verändern, ganz neu diskutiert werden müssen, sei einmal dahingestellt. Vor diesem Hintergrund tritt das „Frauenvolksbegehren 2.0“ an, um alte Kämpfe neu zu führen. Erneut haben sich Frauen* zusammengefunden, die mithilfe des etablierten demokratischen Instruments Volksbegehren vor allem eines erreichen wollen: eine frauenpolitische Diskussion in Gang zu setzen. Zu Beginn gilt es eine finanzielle Hürde zu überwinden: Werden bis Anfang Juni via Crowdfunding nicht 100.000 Euro eingesammelt, setzen die Initiatorinnen* das Projekt in dieser Form nicht um. Schon jetzt zeigt sich der professionelle Zugang der Truppe: Statt monatelang Energie vorrangig in ausschweifende basisdemokratische Diskussionen zu stecken, die die (autonome) Frauenbewegung seit jeher prägen, wurde in Arbeitsgruppen an Kommunikationskonzepten gefeilt und Berater*innen hinzugezogen. Die große Begeisterung, die dem Frauenvolksbegehren 2.0 bisher entgegegenschlägt – von den üblichen Rülpsern einmal abgesehen –, zeigt, dass es ein solches Mainstreaming im besten Sinn des Wortes braucht, um Menschen außerhalb eingeschworener, (queer-)feministischer Zirkel anzusprechen. Inhaltlich bedeutet das allerdings auch, Abstriche zu machen: Selbst wenn etwa mit der 30-Stunden-Woche eine visionäre Forderung im neuen Volksbegehren Platz gefunden hat (den Neos steht bereits der Schweiß auf der Stirn) und auch asylsuchende Frauen mitbedacht wurden, so ist es doch bemerkenswert, dass 2017 die Legalisierung, also die Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafrecht, offenbar noch immer keine denkbare feministische Forderung auf breiter Basis sein kann und auch die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner*innenschaften kein Teil der 15 Forderungen ist. Da sich das Volksbegehren 2.0 schon an Frauen* – und nicht an Frauen – wendet, wurde zudem die Chance verpasst, etwa den Anliegen von Aktivist*innen, die für eine verbesserte Lebenssituation intergeschlechtlicher Menschen und von Transpersonen in Österreich kämpfen, mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. All das sind Diskussionen, die auch angesichts eines schleichenden Rechtsrucks in aktivistischen Kreisen (Stichwort Political Correctness, Stichwort Kopftuch) einer feministischen Debatte bedürfen, zu der gerade feministische Medien einen wichtigen Beitrag leisten können und müssen. Die Aktivistinnen* des Frauenvolksbegehrens 2.0 werden ohnehin viel Energie benötigen für politische Kämpfe in einer Demokratie, die aktuell wie in so vielen anderen europäischen Staaten von testosterongeladenen Charismatikern geprägt wird. Solidarische Frauen*kämpfe statt Führungsfiguren – den Aktivistinnen* ist das Beste zu wünschen.