Ein Kommentar von LEA SUSEMICHEL
Der Begriff „Islamophobie“ ist in die Kritik geraten. Denn als „islamophob“ könne der aus gutem Grund islam- und regimekritische Exiliraner ebenso gelten wie die rassistische Pegida-Anhängerin, die um ihr Abendland fürchtet. Den von Strache, Sarrazin und Konsorten geschürten Hass gegenüber MuslimInnen bezeichnet die Sozialwissenschaftlerin Fanny Müller-Uri deshalb lieber als „antimuslimischen Rassismus“.
Kritik am Begriff kommt aber auch aus einer ganz anderen Richtung und zielt auch auf ganz anderes ab. Im Unterschied zu Fanny Müller-Uri, die ein besseres Begriffinstrumentarium will, um Diskriminierung adäquat analysieren zu können, geht es hier darum, Kritik gegen „den Islam“ vorbringen zu wollen, ohne fürchten zu müssen, deshalb als islamophob zu gelten. Die aktuelle Ausgabe der Wiener Zeitschrift „Malmoe“ hat einen Schwerpunkt zum Thema, der diesen Tenor teilt. Weil IS-Terror und islamistische Menschenrechtsverletzungen Realität sind, sei es völlig verfehlt, antiislamisches Ressentiment alleine mit eurozentrisch-orientalistischem Othering, also der Errichtung eines westlichen Feindbildes, zu erklären, heißt es. Religionskritik sei überdies ein fundamentaler Bestandteil linker Aufklärung, würde gegenüber dem islamischen Glauben aber viel zu zögerlich oder gar nicht betrieben. Der Islam würde von Linken sogar idealisiert, sagt der Autor Sama Maani im „Malmoe“-Interview. Seine Aussagen sind besonders kritikwürdig, knüpft solch ein Diskurs doch erschreckend nahtlos an jenen rechter PopulistInnen an, die vorgeben, sich von „Gutmenschen“ und ihrer „Political Correctness“ in die Enge gedrängt und dadurch in ihrer „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Freiheit beschränkt zu fühlen. Diese Klage kommt also nun zunehmend auch aus der Ecke der (antideutschen) Linken. Und wie die Sarrazins und die Straches dieser Welt lässt auch diese sich offenbar nicht davon beirren, dass seit mehr als einem Jahrzehnt kaum etwas so ausdauernd beschworen und beklagt wird wie „Parallelgesellschaften“ und „islamische Integrationsverweigerer“.
Sich dabei einen neuen und besonders differenzierten Blick auf den Islam auf die Fahne zu schreiben, ist besonders dreist. Denn zwischen „Muslimness“, also selbst- oder fremdbestimmtem „Muslimischsein“, einerseits und menschenverachtender islamistischer Herrschaftsideologie oder repressiver Religiosität andererseits zu unterscheiden und die beiden Letzteren selbstverständlich in aller Schärfe zu kritisieren – das tun viele FeministInnen seit geraumer Zeit. Gerade angesichts der mitunter zutiefst rassistischen Debatten um Kopftuch, sogenannte Ehrenmorde und Zwangsverheiratungen wird für solch eine Unterscheidung von linken Feministinnen längst vehement gekämpft. Und es ist ihrem Insistieren auf Differenzierung zu verdanken, dass selbst Alice Schwarzer sich inzwischen mitunter einzuräumen genötigt sieht, dass wohl nicht alle MuslimInnen misogyne DjihadistInnen sind.
Islamkritikerinnen wie Necla Kelek und Hirsi Ali werden also nicht deshalb angefeindet, weil „ihnen Verrat am linken Schutzobjekt ‚Islam‘ vorgeworfen“ würde, wie Sama Maani unterstellt. Sie werden allein deshalb kritisiert, weil sie immer wieder rechtsreaktionäre Positionen vertreten und sich dabei auch zu absolut skandalösen Aussagen versteigen. Nekla Kelek etwa ließ sich bekanntlich über generell triebgesteuerte muslimische Männer aus, die es notfalls auch mit Tieren treiben würden. Ayaan Hirsi Ali hat sich zuletzt direkt auf Anders Breiviks Manifest bezogen, wonach dieser nur zu Gewalt getrieben wurde, weil seine Islamkritik zuvor öffentlich zensiert worden sei.
Natürlich muss Islamkritik möglich sein. Selbstverständlich ist der IS ein mörderisches Regime. Ohne Frage muss islamistischer (Staats-)Terror verurteilt werden, genau wie auch jede islamistisch inspirierte Form patriarchaler Gewalt. Aber fundiert kann solch eine Kritik nur sein, wenn dabei berücksichtigt wird, dass Zwangsverheiratung nicht nur mit Religion, sondern auch etwas mit europäischer Asylpolitik zu tun hat, die Menschen immer weniger Möglichkeiten legaler Einwanderung lässt. Oder wie soziale Segregation und Stigmatisierung zu religiöser Radikalisierung beitragen.
Der Vorwurf, die Linke scheue vor Kritik zurück, ist grundfalsch. Im Gegenteil: Sie scheut vor zu wenig Kritik zurück. Denn Religionskritik alleine ist zu wenig, um religiösen Fundamentalismus zu erklären. Dafür braucht es Machtkritik. Bestenfalls sogar: feministische Machtkritik. Dabei kann man dann auch gerne über brauchbare Begriffe diskutieren.
3 Kommentare zu „an.sage: islamophobphob“
“dass selbst Alice Schwarzer sich inzwischen mitunter einzuräumen genötigt sieht, dass wohl nicht alle MuslimInnen misogyne DjihadistInnen sind.”
Diese Aussage ist unredlich. Alice Schwarzer hat niemals behauptet, dass “alle MuslimInnen misogyne DjihadistInnen sind”. Sie hat IMMER zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer (und in der Tat frauenverachtender) Bewegung unterschieden.
Also bei der Islam-Kritik unteescheide ich 5 Formen
1.) Theologische Religionskritik
Gemeint ist: Vielen liberale Musliminnen und Muslimen sehen im Gegensatz zu anderen Religionen im Islam in einigen Bereichen auf theologischer Ebene Schwierigkeiten theologischer kleinerer Anpassungen an die Moderne oder gar größerer Reformen oder Fragen der Strömungen, z.B. ob alewi eher sunni oder shia näher stehen
2.) Kritik an vorwiegend von Muslimen bewohnten Staaten
Gemeint ist sharia in muslimischen Staaten und ob Restriktionen und wenn ja welche für Andersgläubige bestehen, ob es Ausnahmen nur für Schriftbesitzer (Juden, Christen) gibt oder ob Sekularismus dort Teil des Islams ist
3.) Gesellschaftliche Tendenzen der unterschiedlichen Strömungen
4.) Religiöse Pflichten
Haram – Halal – Ramadan – Freitagsgebet
Im Islam gibt es Sexual- und Ernährungstabus und familiäre Regeln,
wobei manche Strömungen das Bemühen nach Ermessen und Gegebenheiten als individuelle Anstrengung im Vorderseite sehen und andere eher absolute Regeln für die Gemeinschaft sehen
5.) Streit- & Brennpunkte mit anderen Religionen / Ideologien
Es gibt zwischen Islam und Feminismus viele Brennpunkte,
wobei hier zu beachten ist, ob es sich um radikalen Feminismus,
westlich linken Feminismus oder
islamischen Feminismus handelt (kämpfende Kurdinnen, Kopftuch als Ausdruck der islamischen Identität ‘niemand zwingt mich zum Kopftuch aber niemand nimmt mir das Recht es zu tragen)
Warum (manche) Linke über den Islam nicht reden können
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
(Ernst Jandl)
Der obige Kommentar, gibt vor, sich auf ein Interview, das die Zeitschrift MALMOE mit mir geführt hat („Mit dem Begriff ‚Islamophobie’ gehen wir den Rassisten auf den Leim“) zu beziehen, bei dem auch mein neues Buch „Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten – und die eigene auch nicht“ vorgestellt wurde.
Allerdings werden die im Interview, resp. im Buch vertretenen Thesen im Kommentar nicht einmal gestreift – geschweige denn, daß eine Auseinandersetzung mit diesen Thesen stattfinden würde.
Am Ende weiß die LeserIn nicht, wovon im Interview (resp. im Buch) überhaupt die Rede ist, erfährt aber, daß es „besonders dreist“ sei, sich „einen neuen, besonders differenzierten Blick auf den Islam auf die Fahnen zu schreiben“ – müßte sich also fragen, ob es demnach besser sei, beim „alten, besonders undifferenzierten Blick“ auf den Islam zu bleiben.
Vielleicht, mag die LeserIn mutmaßen, will die Kommentatorin sie aber bloß schonen, ihr das „Erschreckende“ jenes Diskurses, dem sich das Interview (resp. das Buch) verpflichtet fühlen soll, nicht zumuten – Zitat aus dem Kommentar:
„ … knüpft solch ein Diskurs doch erschreckend nahtlos an jenen rechter PopulistInnen an, die vorgeben, sich von ‚Gutmenschen’ und ihrer ‚Political Correctness’ in die Enge gedrängt, und dadurch in ihrer ‚Das wird man doch noch sagen dürfen’-Freiheit beschränkt zu fühlen“.
Weshalb sie die LeserIn darüber, welche konkreten Inhalte des Interviews (oder des Buches) denn so „erschreckend nahtlos“ am Diskurs rechter PopulistInnen anschließen, ganz im Unklaren läßt.
Sollte die LeserIn aber mutig genug – oder leichtsinnig genug – sein, das Interview (oder das Buch) selbst zu lesen, bliebe sie hinsichtlich jener „erschreckend nahtlos anschließenden“ Textstellen dennoch im Unklaren. Sie mag sich dann fragen, ob sich die Warnung der Kommentatorin vor jenem Diskurs, der „erschreckend nahtlos“ an denjenigen der Rechten anschließen soll, womöglich auf Aussagen wie die folgende bezieht:
„Die Ablehnung ‚des Islam’ durch Pegida, FPÖ und Co. ist ein Ersatzdiskurs für Rassismus. Aber der ‚Antirassist’, der den Begriff Islamophobie negativ verwendet, ist in diesem Moment selbst rassistisch, ohne es zu wollen. Wenn ich sage, die Feindschaft gegen den Islam ist rassistisch, dann sage ich damit implizit, dass der Islam unauflöslich verknüpft ist mit Menschen etwa aus der Türkei oder arabischen Ländern, jenen Menschen also, die ich vor Diskriminierung schützen will. Das zementiert den Diskurs der Rechten, statt diese falsche Verknüpfung von Herkunft und Religion aufzulösen.“
Wie auch immer. Indem die Kommentatorin die zitierte – und alle anderen inhaltlich relevanten Passagen des Interviews – schlicht unterschlägt, verfehlt sie jedenfalls nicht nur jeden inhaltlichen Bezug zum Interview. Sie verurteilt sich darüber hinaus dazu, in ihrem Kommentar, den im Interview (und in meinem Buch) analysierten und kritisierten Diskurs des linken mainstreams in exemplarischer Weise zu reproduzieren, und so die unterschlagenen, im Interview vertretenen Thesen – zu bestätigen.
Fortsetzung:
http://samamaani.blogspot.co.at/2015/07/warum-manche-linke-uber-den-islam-nicht.html