Ein Kommentar von GABI HORAK
Ich erklär’ es mal mit einem Gesellschaftsspiel: Zwei „Königinnen“ spielen gegeneinander, es gewinnt diejenige, deren Königinnenreich am Ende finanziell besser dasteht. Um dieses Ziel zu erreichen, können beide die Höhe und Verteilung der Gehälter, der Steuern und der Sozialleistungen in ihrem Reich bestimmen. Und sie können Blumen pflanzen, den Zirkus in die Stadt holen und Wandmalereien in Auftrag geben – damit es schön und lustig bleibt. Nachdem die zwei Spielerinnen zunächst so agiert haben, wie sie es beide aus ihrer Realität kennen, haben sie ihr Königinnenreich in folgende Situation manövriert: Ein paar wenige Menschen im Reich horten die Hälfte des gesamten Vermögens. Sie, die am meisten verdienen, zahlen aber die geringsten Steuern. Dafür gibt es immer mehr, die immer weniger verdienen und trotzdem recht viele Steuern zahlen. Und es gibt immer mehr, die keinen Job finden, und die Königin zahlt ihnen Sozialleistungen, damit sie zumindest überleben. Denn zu viele Tote bringen Punkteabzug. Anderswo sieht es nicht besser aus, oft sogar noch viel schlimmer. Darum wandern nicht wenige Menschen aus anderen Ländern ein. Die Königin kann nicht alle wieder rausschmeißen, weil das den Grundregeln des Spiels widerspräche. Weil die Menschen mit Vermögen ihr Geld nicht verlieren wollen, verlangen sie von der Königin, die Sozialleistungen zu kürzen und die neuen Menschen zu vergraulen. Viele Menschen ohne Vermögen wollen sich dagegen wehren, doch sie sind zu leise. Die beiden Königinnen entscheiden sich an diesem Punkt, unterschiedliche Richtungen einzuschlagen. Die ängstliche Königin hört auf die Vermögenden, kürzt die Sozialleistungen und lässt die neuen Menschen hungern, bis sie freiwillig wieder gehen. Weil nun fast alle noch weniger haben, haben sie noch weniger füreinander übrig. Sie kümmern sich weder um die Blumen noch um die Nachbarn. Der spärliche Nachwuchs geht in schlechte Schulen, bekommt schlechte Jobs, zahlt deshalb kaum Steuern und spuckt auf die Wandmalereien. Die Bevölkerung schrumpft. Trotzdem sinkt die Zahl der Jobs weiter, weil fast alle weniger Geld haben, um einzukaufen, und somit auch weniger hergestellt werden muss. Auf Zirkus hat niemand mehr Lust. Die Vermögenden sitzen in ihren Penthäusern und schimpfen auf die undankbaren Menschen da unten. Sie verprassen ihr Geld, aber davon hat die Königin wenig. Sie ist pleite und verliert das Spiel. Die andere Königin jedoch nimmt den Vermögenden einen Teil ihres Geldes weg. Die schreien laut und treten um sich, beruhigen sich dann aber doch bald wieder bei einem Gläschen Champagner vor dem wärmenden Kamin. Das frische Geld steckt die Königin in die Infrastruktur und in die Sozialleistungen, die erhöht werden, auch für die neuen Menschen. Es geht ein Ruck durch die Bevölkerung, die allgemeine Zufriedenheit steigt, viele Kinder gehen in 1A-Schulen, bekommen gute Jobs, kaufen gutes Essen und zahlen Steuern. Die Blumen blühen, der Zirkus expandiert und die schlaue Königin gewinnt das Spiel.
So einfach wie im Spiel ist das Leben nicht? Natürlich nicht. Aber auch im echten Leben geht es manchmal um Richtungsentscheidungen. Ob eine Regierung sich GEGEN vermögensbezogene Steuern und FÜR die Kürzung von Unterstützung für die Ärmsten entscheidet – oder umgekehrt –, ist so eine Grundsatzentscheidung. Es ist genau dieser Punkt, an dem wir uns fragen müssen: Wie wollen wir morgen leben und in welche Richtung müssen wir dafür gehen? Tatsache ist – im vereinfachten Spiel wie auch im komplizierten Leben –, dass Sparen bei den Ärmsten volkswirtschaftlich dumm ist. Durch zahlreiche Studien ist mittlerweile ausreichend belegt, dass es ALLEN besser geht, wenn die Schere zwischen Arm und Reich verringert wird. Jede Einzelmaßnahme, die NICHT der gerechteren Verteilung von Ressourcen und Vermögen dient, ist ein direkter Angriff auf die Zukunft eines Landes. Wenn wir die ohnehin spärliche Mindestsicherung kürzen, wenn wir Frauen nicht zu mehr Einkommen und eigenständiger Alterssicherung verhelfen, wenn wir Kindern keine optimale Bildung ermöglichen, wenn wir neue Menschen in unserem Land nicht als Gäste und Potenzial verstehen und sie stattdessen mit fiesen Tricks daran hindern, zu uns zu kommen, und sie lieber in elenden Zelten anderswo verdammt noch mal verhungern lassen – dann werden wir das Spiel verlieren.
1 Kommentar zu „an.sage: Game Over“
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