Mehr Geld, und zwar im Millionenbereich: Mit dieser Forderung machte Interims-Frauenministerin Ines Stilling vor wenigen Wochen Schlagzeilen. Eine Erhöhung des Frauenbudgets, das derzeit bei rund zehn Millionen Euro liegt, sei dringend notwendig, um Beratungseinrichtungen auszubauen und mehr Mittel in den Gewaltschutz fließen zu lassen. Die frauenpolitischen Herausforderungen werden größer, nicht kleiner, ist Stilling überzeugt, das Budget hingegen ist seit 2010 nicht mehr erhöht worden. Handlungsbedarf in Sachen Gewaltschutz attestierte Österreich zuletzt auch der CEDAW-Ausschuss. Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Frauen überprüft regelmäßig die Einhaltung von Frauenrechten in Österreich, empfohlen wird der nächsten Regierung nicht nur ein Ausbau des Gewaltschutzes, sondern auch Maßnahmen gegen den Gender Pay Gap, eine Förderung von Mädchen in MINT-Fächern und eine umfassende, altersgerechte Sexualpädagogik. Auch wenn während der vergangenen eineinhalb Jahre Juliane Bogner-Strauß formell als Frauenministerin agierte – seit dem Abtritt des Kabinetts Kern erschien das Amt de facto unbesetzt. Doch angesichts der kleinen und größeren Skandale, die das Land im Zuge der Ibiza-Affäre erschütterten, gerät die frauenpolitische Nullnummer von Türkis-Blau bereits in Vergessenheit.
Dabei lohnt es sich, zurückzuschauen. Einen bleibenden Eindruck hinterließ Ministerin Bogner-Strauß vor allem durch ihre Kürzungspolitik: Feministischen Initiativen wie One Billion Rising, Frauensolidarität und Frauenhetz (und auch an.schläge) wurden Fördergelder gekürzt oder gänzlich gestrichen, der versprochene Fokus auf den Gewaltschutz inklusive zusätzlicher Investitionen in Frauenhäuser und Beratungsstellen blieb eine bloße Ankündigung. Ansonsten war wenig zu hören von Bogner-Strauß; zu den Einschnitten im Sozialsystem, die Frauen künftig hart treffen werden, äußerte sie sich allerhöchstens „begrüßend“. Auch für das enorm erfolgreiche Frauenvolksbegehren 2.0, das fast eine halbe Million Unterschriften sammeln konnte, hatte sie lediglich ein Schulterzucken übrig.
Wenn Ines Stilling, die den Job als Frauenministerin unter Kanzlerin Bierlein bis zur Angelobung einer neuen Regierung ausübt, nun mehr Geld und mehr Aktion in der Frauenpolitik fordert, stimmt das fast schon wehmütig. Haben wir vor gar nicht allzu langer Zeit nicht noch Ganztagsschulen, Maßnahmen gegen Frauenarmut und die steigende Teilzeitquote diskutiert statt drohender Einschnitte beim Schwangerschaftsabbruch und eines Kopftuchverbots in Schulen? Stilling ist vom Fach. Sie startete ihre politische Karriere unter Doris Bures und stieg unter Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zur Büroleiterin auf, eine Frauenministerin, die sich glaubwürdig für progressive frauenpolitische Anliegen starkmachte und deren Agenda rückblickend fast schon radikalfeministisch anmutet.
Doch so viel nostalgische Verklärung tut nicht gut: Frauenpolitik einen angemessenen Stellenwert zuzugestehen und das Ressort finanziell nicht auszuhungern, sollte selbst in Ibiza-Österreich als Selbstverständlichkeit gelten. Gewalt im sozialen Nahraum, die jedes Jahr zig Frauen das Leben kostet, als massives Sicherheitsproblem einzustufen und dementsprechend präventiv zu bekämpfen, sollte allen Parteien ein Anliegen sein. Dass „Freiheitliche“, aber auch Türkise Einzelfälle mit Blick auf die Umfragewerte rassistisch instrumentalisieren, muss als das benannt werden, was es ist: ein Skandal. Ebenso, dass Frauen (wieder) dafür kämpfen müssen, an ihrem Wohnort sicher und kostengünstig eine medizinische Leistung in Anspruch zu nehmen, die ihnen selbstverständlich in jedem Krankenhaus zur Verfügung stehen sollte: den Schwangerschaftsabbruch. Und damit nicht genug. Eine ganze Reihe weiterer Baustellen, die dringend Beachtung bedürfen, sind im Forderungskatalog des Frauenvolksbegehrens nachzulesen. Grundvernünftige Forderungen, denen es allein am politischen Willen mangelt. Doch selbst wenn uns nach dem 29. September erneut eine ÖVP-FPÖ-Regierung des Mauschelns und des Hetzens droht: Mit weniger dürfen wir uns nicht zufriedengeben.