„Frauen haben auch in der Krise eine besondere Leistung erbracht! Daher darf es für sie jetzt auch keine Nachteile geben“, postete Frauenministerin Susanne Raab Mitte August. Eine Ansage der ÖVP-Ministerin, die wohl als Appell an die weibliche Bescheidenheit zu lesen ist. Seit Monaten zersprageln sich Alleinerzieherinnen zwischen Lohnarbeit und improvisiertem Heim-Unterricht, ihr durchschnittlicher Arbeitstag ist ganze 15 Stunden lang. In Hetero-Paarhausalten stemmen Mütter wie gewohnt den Löwenanteil bei Kinderbetreuung und Hausarbeit, so das Ergebnis einer Studie von Wirtschaftsuniversität und Arbeiterkammer. Noch im Frühjahr bedachte Raabs Parteikollege August Wöginger die schuftenden Frauen mit einer Portion Dankbarkeit. „Der Dank gilt da insbesondere meiner Frau“, richtete der ÖVP-Klubobmann über den Bildschirm aus. Home-Schooling mit drei Kindern funktioniert offenbar ganz großartig – wenn die Ehefrau sich darum kümmert.
Immerhin bietet die Frauenministerin nun mehr als einen warmen Händedruck: Schulschließungen würden im Herbst nur punktuell und so kurz wie möglich erfolgen, erklärte Raab. Die politische Linie der Volkspartei hatte Kanzler Kurz bereits im April abgesteckt: Es sei „keine Schande“, wenn Eltern ihre Kinder in den Kindergarten oder die Schule schicken, weil sie es nicht mehr aushielten, verkündete er bei einer Pressekonferenz großzügig. Auch am Arbeitsmarkt solle es „keine Rückschritte für Frauen“ geben, so der Plan der Frauenministerin. Der Backlash ist dort bereits im vollen Gange: Ganze 85 Prozent des Anstiegs bei der Arbeitslosigkeit zwischen Februar und Juni 2020 entfielen auf Frauen. Denn die Krise trifft jene Branchen, in denen besonders viele Frauen beschäftigt sind: persönliche Dienstleistungen, Gastronomie und Hotellerie ebenso wie den Einzelhandel und die Freizeit- und Kulturbranche. Angesichts dieser Entwicklung drohe Frauen die Rolle der „stillen Reserve“, analysiert Arbeiterkammer-Expertin Ingrid Moritz (siehe Seite 7). Sie übernehmen Betreuungsaufgaben im Privaten und kommen erst dann wieder auf den Arbeitsmarkt, wenn ausreichend Stellen zur Verfügung stehen.
Die Rolle der Zuverdienerin ist bei einer Teilzeitquote von rund fünfzig Prozent vielen Frauen längst vertraut. Frauen sind für die Kinderbetreuung zuständig und pflegen Angehörige, während Männer für solche Aufgaben selten die Erwerbsarbeitszeit reduzieren.
Wie fatal sich dieses lebenslange Ungleichgewicht auf die ökonomische Absicherung auswirkt, demonstriert der Equal Pension Day, der 2020 auf den 30. Juli fiel: Frauen erhielten im vergangenen Jahr rund 42 Prozent weniger Pension als Männer. Alleinstehende Frauen sind dementsprechend besonders von Altersarmut betroffen.
Die mediale Aufmerksamkeit für die Care-Krise, für prekär Beschäftigte und Eltern an der Belastungsgrenze verebbte indes so rasch wie das abendliche Klatschen auf den Balkonen. Das passt zum Ergebnis der aktuellen Frauenpolitik-Studie von „Media Affairs“. Alljährlich untersucht die Studie die politische Berichterstattung in sechs österreichischen Tageszeitungen. Lediglich 1,6 Prozent der Debatten befassten sich im vergangenen Jahr mit Frauenpolitik, so das ernüchternde Resultat. Vergessen scheinen die Forderungen des Frauenvolksbegehrens 2.0, das 2018 fast eine halbe Million Menschen unterschrieben. Dabei wären eine Arbeitszeitverkürzung und umfassende Investitionen in die Kinderbetreuung, der Ausbau von Gewaltschutz und -prävention und die Bekämpfung von (Frauen-)Armut dringender denn je. Die Coronakrise bietet die historische Chance, jene patriarchalen Missstände, die gesellschaftlich so sichtbar sind wie kaum jemals zuvor, nicht länger hinzunehmen. Von der Regierungsbank sind solche Impulse nicht zu erwarten – es wird nicht weniger als einen feministischen Aufstand brauchen.