Ein Kommentar von BRIGITTE THEIßL
„Gewalt- und Opferschutz – Maßnahmen für mehr Frauensicherheit“: Unter diesem Titel meldete sich Juliane Bogner-Strauß Mitte Jänner in einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz zu Wort. Bereits fünf tote Frauen in Österreich zählt die Statistik seit Jahresbeginn – Frauen, die allesamt von Tätern aus ihrem nahen Umfeld ermordet wurden. 2018 waren es 41 weibliche Mordopfer, der Anteil weiblicher Opfer bei Tötungsdelikten ist in keinem europäischen Land höher als hierzulande. Die Frauenministerin bestritt den Termin im Bundeskanzleramt nicht allein, an ihre Seite traten Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl (parteilos auf FPÖ-Ticket). Die Marschrichtung war somit vorgegeben. „Wir hatten in Österreich bis vor wenigen Jahren eine ganz andere Situation. Die Möglichkeit, sich frei im öffentlichen Raum, egal zu welcher Tageszeit, bewegen zu können, das hat sich verändert. Es ist ein Faktum, dass wir ohne die Migrationskrise von 2015 nicht diese Form an Gewalt gegen Frauen hätten“, verkündete Karin Kneissl. Dass die Faktenlage sehr viel komplexer ist, kümmert die Partei, die hinter Kneissl steht, wenig. „Importierte Gewalt“, geifert Vizekanzler Heinz-Christian Strache seit Wochen auf Facebook und bedient seine Klientel mit den altbekannten Sprüchen. Nur, dass die FPÖ jetzt nicht mehr auf Bierzelt-Bühnen und in den Haus-und-Hof-Medien schäumt, sondern Gesetze macht: „Mit der falschen Politik der letzten Jahre ist nun Schluss, die Gangart gegenüber kriminellen Asylwerbern wird dank unseres Innenministers Herbert Kickl konsequent verschärft“, so die Losung. Menschenrechtsfragen? Für den Innenminister Nebensache angesichts der dringenden Bedrohungslage.
In dieselbe Kerbe schlug Karoline Edtstadler, die die Taskforce Strafrecht leitet und sich bald nach Brüssel verabschieden wird: In betroffenem Tonfall listete sie die Herkunftsländer der Täter auf und ging sogar so weit, von einem Nachahmungseffekt zu sprechen: Die „importierten“ patriarchalen Werte könnten auch die heimische Bevölkerung zu solch grausamen Taten motivieren. Dass Edtstadlers geplante Verschärfungen im Strafrecht Expert*innen als im Grunde wirkungslos einstufen, wischte diese in verschiedenen Diskussionssendungen immer wieder mit „Ich stehe für strenge Strafen“ beiseite. Unter Türkis-Blau wird aufgeräumt, wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich eben nicht immer mit (populistischer) Regierungspolitik vereinbaren, machte schon Bildungsminister Heinz Faßmann im Fall der Wiedereinführung von Noten in der Volksschule erfrischend offen deutlich. So scheint es die Regierung auch wenig zu interessieren, worauf Expert*innen aus Gewaltschutzeinrichtungen seit Jahrzehnten pochen: Gewalt gegen Frauen ist im Wesentlichen weder eine Frage der Herkunft noch des Testosteronspiegels, sondern eine Frage patriarchaler Machtverhältnisse. Die Täter sind Männer, die Frauen als Besitz betrachten, Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten und häufig mittleren Alters, wiederholt Alexander Haydn, Psychotherapeut bei der Wiener Männerberatung, aktuell gebetsmühlenartig in Interviews. Mehr Täterarbeit, mehr Fokus auf die Präventionsarbeit schon vom Kindergarten an, Schulungen für Justiz und Exekutive, wie das besagte Expert*innen ebenso seit Jahrzehnten fordern – dafür müsste eine Regierung endlich Geld in die Hand nehmen, statt frauenpolitische Mittel zu kürzen. Denn in einer Gesellschaft, in der das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben nicht nur auf dem Papier existiert und häusliche Gewalt nicht länger als „Familiendrama“ bagatellisiert wird, kann Frauenpolitik als Querschnittsmaterie nicht länger Nebenschauplatz sein. Gemeint sind damit nicht hundert zusätzliche Frauenhausplätze, sondern eine Gleichstellungspolitik auf sämtlichen Ebenen, die genau jenen patriarchalen Strukturen entgegenwirkt, die Gewalt gegen Frauen erst hervorbringen. Gender Mainstreaming im Unterricht, mehr Lohntransparenz und Väterkarenz, eine Arbeitszeitverkürzung und ein dichtes soziales Netz, leistbarer Wohnraum und niederschwellige Unterstützungsangebote bei Trennung und Scheidung in ganz Österreich – die Liste ist lang. Klar ist aber auch, dass all dies nicht zu den Visionen zählt, die die türkisblaue Regierung aktuell mit ihrer Politik vorantreibt. So wird „Frauensicherheit“ ganz bequem zum Ausländerproblem.