Ein Kommentar von DENISE BEER
Von der „Gewährleistung des von einem öffentlichen Medium erwarteten Niveaus der Darstellung“, wie es sich der ORF in seiner Charta selbst auferlegt, war bei der Diskussion um die Novellierung des Strafrechtsparagrafen Mitte April wenig zu erkennen. „Im Zentrum“ wird als politisches Format angepriesen, allerdings entwickelt sich die Sendung immer mehr zum bewegten Bild des Boulevardjournalismus. Noch bedenklicher als die Einladungspolitik des ORF ist der Anlass für die Themenwahl. Mit der Überarbeitung des §218, der nur mehr pejorativ als „Pograpsch-Paragraf “ betitelt wird, sollen auch unerwünschte Handlungen strafrechtlich erfasst werden, die „der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörig sind“, also auch der besagte Griff an den Hintern. Doch die Novellierung und das noch offene Begutachtungsverfahren dazu waren nicht der Grund, warum sich Ingrid Thurnher mit ihren Gästen über das Thema unterhalten wollte. Eingeladen wurde anlässlich eines Tweets des Team Stronach-Mandatars Marcus Franz: „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft. Cui bono?“ Sexistischer, reaktionärer Unsinn garniert mit Latein. Man(n) wird die Ware doch noch testen dürfen! Nach Franz könnten sich starke Frauen ohnehin wehren (alle anderen haben wohl einfach Pech) und eine „Eroberung setzt immer einen gewissen Widerstand voraus“.
Der ORF weiß, dass Franz’ ewig gestriges Frauenbild nicht niveau- und sinnvoll zur Diskussion um die Veränderung einer Strafrechtsnovelle beiträgt. Erregte er doch bereits mit seinen Aussagen, Homosexualität sei eine „genetische Anomalie“ und „freiwillige Kinderlosigkeit amoralisch“, Aufsehen. Mit seiner Verharmlosung von Eingriffen in die sexuelle Integrität schaffte er es nun ins Sonntagabendprogramm. Und nicht nur das. Ihm zur Seite setzte der ORF den Grasser-Anwalt Ainedter, der sexualisierte Übergriffe ebenso verharmloste. Breitbeinig stimmte er ins hysterische Gejaule ein, dass bald jeder Tanz, jeder Kuss, jede Berührung verboten sei. Ainedter klärte die Zuseher_innen zudem darüber auf, dass die Polizei in Lachen ausbrechen würde, käme eine Frau und wolle aufgrund eines „Pograpschers“ Anzeige erstatten. Auch Puls 4 griff das Thema auf und ließ es sich nicht nehmen, Franz in die Talkshow „Pro und Contra“ einzuladen. Dort brillierte er erneut mit dem an Jutta Ditfurth gerichteten „Sprichwort“, Feminismus gehe von hässlichen Frauen aus. In diese Kerbe schlug auch Schauspielerin Sophia Thomalla kürzlich bei „Hart aber fair“ in der ARD zum Thema „Deutschland im Gleichheitswahn“. Sie nimmt an, dass Frauen, „die ständig für Gleichstellung und gegen Sexismus wettern, noch nie ein Kompliment bekommen haben“. Sowohl bei Puls 4 als auch bei „Hart aber fair“ war Birgit Kelle zu Gast, die mit biologistischen Argumenten vom „Gendergaga“ spricht. Diskussionssendungen zum Thema Geschlechterverhältnisse bestehen im deutschen wie im österreichischen TV leider meist aus Schein-Debatten, die mit persönlichen Angriffen gespickt werden. Der Österreichische Frauenring merkte zu Recht an, dass Feminist_innen höchstens auf antifeministische Sager reagieren dürfen, aber frauenpolitische Fragen ansonsten kaum Eingang in Nachrichtensendungen oder Diskussionsformate finden. Bei der Novellierung des Strafrechts geht es darum, sexualisierte Gewalt rechtlich zu fassen. Dass der ORF und Puls 4 der Meinung sind, Stimmen wie jene von Marcus Franz würden zu einer sinnvollen Diskussion über sexualisierte Gewalt beitragen, ist erschreckend und frustrierend. Die Fernsehanstalten müssen sich mit ihrer journalistischen Verantwortung und der Frage nach Qualität und Niveau ihrer Sendungen dringend auseinandersetzen und aufhören, im Sinne der Quote zu agieren. Es ist bedenklich genug, dass Personen mit einem solchen Frauen- und Menschenbild wie Franz im Nationalrat sitzen. Aber dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen ihren kruden und skurrilen Theorien eine derartige Bühne bietet, ist beschämend.
1 Kommentar zu „an.sage: Antifeministische Fernsehlogik“
Guter Kommentar! Welchen Personen ausgerechnet vom ORF als öffentlich-rechtlichem Sender eine Bühne geboten wird, um ihre menschenverachtenden Plattitüden in die Welt zu posaunen, ist echt schwer packbar.