Woher kommt all der Hass im Netz? BRIGITTE THEIßL hat die Journalistin und Autorin INGRID BRODNIG zu geschlechtsspezifischen Faktoren und Gegenstrategien befragt.
Wer sind eigentlich die Menschen, die besonders viele Hass-Postings im Internet verbreiten? Gibt es dazu Studien?
Wir wissen leider wenig über diese Menschen, es gibt aber ein paar Anhaltspunkte. Sogenannte „Trolle“ zählen zu den schlimmsten Gruppen im Netz. Das sind Provokateure – ihnen geht es um Schadenfreude. Sie wollen andere Menschen in Wut oder zur Verzweiflung bringen. Mit naiv klingenden Kommentaren oder gehässigen Aktionen provozieren sie negative Emotionen. Eine kanadische Studie namens „Trolls just want to have fun“ fand heraus, dass Trolle oft unter Sadismus leiden. Auch neigen eher Männer zum Trollen. Das Kernproblem ist, dass Rüpel online besonders sichtbar sind: Aggressive Nutzer und Nutzerinnen posten deutlich mehr als andere, sie versuchen, digitale Räume mit ihrer Wut zu besetzen und Andersdenkende wegzudrängen.
Sind Frauen von Hass im Netz besonders oder anders betroffen?
Alle Geschlechter sind betroffen, aber bei Frauen ist der Ton oft besonders garstig: Sie erhalten besonders herabwürdigende und sexualisierte Kommentare. Das reicht bis zur Vergewaltigungsdrohung. Ein neuer Bericht des EU-Parlaments besagt, dass 18 Prozent der Europäerinnen schon Hass im Netz erlebten. Mädchen werden doppelt so oft zum Opfer von Cybermobbing. Die Gefahr ist, dass sich einige Frauen aus der digitalen Debatte zurückziehen und weibliche Stimmen verstummen.
Fördert die Anonymität im Netz besonders enthemmten Hass – so wie jetzt etwa in der Flüchtlingsdebatte? Was bräuchte es, um dem entgegenzuwirken?
Auf Facebook sehen wir, dass viele Menschen unter ihrem echten Namen furchtbare Dinge posten – die Anonymität ist also nicht der Grund, wieso es zum Hass kommt. Jedoch muss man sagen, dass die schlimmsten Akteure oft gezielt Anonymisierungstools einsetzen. Sie schützen sich damit vor einer strafrechtlichen Verfolgung. Das Wichtigste ist, Opfer stärker zu schützen: Jeder und jede kann den Betroffenen den Rücken stärken, sich in Onlinediskussionen hinter sie stellen – es ist wichtig, dass sich das Opfer nicht alleingelassen fühlt. Ich empfehle, Härtefälle auch anzuzeigen. Ein Tipp: Wer auf einen unfreundlichen Kommentar mit Humor reagiert, zeigt Nerven. Das signalisiert: Du willst mich einschüchtern, aber so leicht schaffst du das nicht.
Ingrid Brodnig ist Medienredakteurin beim „Profil“. Soeben ist ihr Buch „Hass im Netz“ beim Brandstätter-Verlag erschienen.