Über 250.000 Menschen, die in Österreich geboren sind, besitzen nicht die österreichische Staatsbürger:innenschaft. Naomi Lobnig hat bei Ilkim Erdost von der Arbeiterkammer Wien nachgefragt, welche Folgen das für demokratische Prozesse hat.
Wie gestaltet sich das Staatsbürger:innenrecht in Österreich im internationalen Vergleich?
Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit den strengsten Vorgaben. So müssen viele verschiedene Nachweise erbracht werden. Eine Verwaltungsstrafe (zum Beispiel wegen Schnellfahrens) kann etwa ein Grund dafür sein, dass die Einbürgerung verweigert wird. Große Schwierigkeiten bereiten die finanziellen Hürden: Das Gesetz verlangt feste und regelmäßige Einkünfte. Nach Abzug von Wohnkosten und sonstigen regelmäßigen Aufwendungen müssen monatlich ganze 1.030,49 Euro netto zur Verfügung stehen.
Wer wird in Österreich von Wahlen bzw. demokratischer Teilhabe ausgeschlossen?
Für Menschen, die in schlecht bezahlten Berufen arbeiten oder jung sind und noch keinen fixen Job haben, ist es unmöglich, die österreichische Staatsangehörigkeit zu erlangen. Denn ihnen bleiben nach Abzug der Fixkosten keine tausend Euro im Monat übrig. Vierzig Prozent der Arbeiter:innen in Wien, die hier leben, Steuern bezahlen und schuften, haben den österreichischen Pass, sechzig Prozent haben ihn nicht. Und bei den Hilfsarbeiter:innen hat dieses Dokument nur eine:r von fünf.
Was macht das mit Personen, in einem Land zu leben, aber nicht mitentscheiden zu dürfen?
Diese Personen spüren, dass sie nicht dazu gehören. Junge Menschen überspielen das gerne und behaupten, sie würden sich sowieso nicht für Politik interessieren. Aber in Wirklichkeit herrscht Frustration und eine Entfremdung von demokratischen Prozessen im Allgemeinen. Mittlerweile sind es schon dreißig Prozent der Wiener:innen, die nicht mitreden können.
Welche Maßnahmen braucht es, um antidemokratischen Entwicklungen entgegenzuwirken?
Aus Sicht der AK muss der Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtert werden. Mitbestimmung darf nicht das Privileg von Bessergestellten sein, sondern sollte die Möglichkeit bieten, dass alle, die auf Dauer hier leben, ihre Stimme einbringen können. Wichtig ist auch, dass die Mehrheit erkennt, dass man der Demokratie nichts Gutes tut, wenn sie immer mehr zu einem Elitenprojekt wird.